Wort zum Sonntag – 31. Januar 2021

Der letzte Sonntag nach Epiphanias bildet den Abschluss der Weihnachtszeit. Das Bibelwort zur Predigt steht im zweiten Petrusbrief und spricht vom Licht der Wahrheit des christlichen Glaubens, das die Herzen der Menschen erleuchten soll.

„Denn wir sind nicht ausgeklügelten Fabeln (griech. sesophismenois mythois) gefolgt, als wir euch kundgetan haben die Kraft und das Kommen unseres Herrn Jesus Christus; sondern wir haben seine Herrlichkeit mit eigenen Augen gesehen.

 

Denn er empfing von Gott, dem Vater, Ehre und Preis durch eine Stimme, die zu ihm kam von der großen Herrlichkeit: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe. Und diese Stimme haben wir gehört vom Himmel kommen, als wir mit ihm waren auf dem heiligen Berge.

Umso fester haben wir das prophetische Wort (griech. prophetikon logon), und ihr tut gut daran, dass ihr darauf achtet als auf ein Licht, das da scheint an einem dunklen Ort, bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht in euren Herzen.“ (2. Petrus 1, 16-19)

Noch bevor er seine Hände in Unschuld wäscht, stellt der römische Präfekt Pontius Pilatus eine Frage, auf die er gar keine Antwort erwartet. Jesus gibt sich ihm gegenüber als Zeuge der Wahrheit zu erkennen. Und Pilatus fragt ihn: Was ist Wahrheit?

Ist Wahrheit etwas Beliebiges? Hat ein jeder seine eigenen Wahrheiten? Muss nicht auch Wahrheit plausibel sein, kommunizierbar und verbindlich? Und wie ist das mit der Religion und der Wahrheit meines Glaubens? Haben alle Religionen die gleiche Wahrheit? Oder muss sich ihre Wahrheit an ihren Früchten messen lassen?

Immer wieder fragen Menschen nach der Wahrheit, weil es bei der Wahrheit um das geht, worauf ich mich verlassen kann, woran ich mich orientieren kann. Und sicher hat diese Frage nach der Wahrheit im digitalen Zeitalter noch einmal eine neue Qualität erreicht. Ich denke dabei an die Bilder, die beliebig manipuliert werden und Wirklichkeit vortäuschen, oder an sogenannte fake news, die dadurch glaubhaft werden sollen, dass sie millionenfach im Internet geteilt und verbreitet werden. Aber Lügen und Halbwahrheiten sind nichts Neues. Sie sind so alt wie die Menschheit selbst.

Manche Menschen halten die Bibel für ein Märchenbuch. Wenn es keinen Gott gibt, wenn sie ihn nicht sehen und nicht hören, dann kann die Bibel nicht Gottes Wort sein. Dann wären die biblischen Geschichten erfundene Geschichten, Hirngespinste der Menschen, in denen sie vergeblich Trost suchen. Und solchen Vorwürfen sahen sich eben auch die frühen Christen ausgesetzt, an die der zweite Petrusbrief gerichtet war.

Unser Bibelwort aus dem zweiten Petrusbrief spricht im Blick auf die Verkündigung des christlichen Glaubens von „ausgeklügelten Fabeln“. Das ist eine Übersetzung von Martin Luther. In der griechischen Sprache, in der die Briefe des Neuen Testaments geschrieben sind, ist von weisheitlichen, von sophistischen Mythen die Rede. Und Mythen sind Göttergeschichten. Lügengeschichten, klägliche Versuche von Menschen, die Welt mit ihrem kleinen Verstand zu begreifen und zu ordnen, Religionen, in der der Mensch sich selbst knechtet. Der Mythos steht im Gegensatz zum Logos, den nachvollziehbaren Gedanken, der Logik.

Was den christlichen Glauben ausmacht, die praktizierte Nächstenliebe, das Leben in Verantwortung vor Gott, ist das nur ein Mythos, eine erfundene Geschichte, Hirngespinste von Menschen? „Nein“ sagt unser Bibelwort, Jesus Christus ist keine Erfindung. Es gibt Zeugen, Menschen, die dabei waren, und alles mit ihren eigenen Augen gesehen und mit ihren eigenen Ohren gehört haben.

Sogar bei dieser seltsamen Geschichte von der Verklärung Jesu sind Zeugen dabei, Menschen die das Geschehen gar nicht verstehen, die aber mit ihren eigenen Augen sehen und mit ihren eigenen Ohren hören. Gott handelt in der Geschichte und er handelt immer vor Zeugen, die ihre Erfahrungen überliefern, damit auch zukünftige Generationen eine Orientierung finden können, damit wir wissen können, was gut ist und was Gott von uns fordert. Und das Ergebnis ist die Bibel, die Heilige Schrift des Alten und des Neuen Testaments, ein Buch, das uns zahlreiche, authentische und vielfältige Glaubenserfahrungen überliefert. In der Bibel spricht Gott in Menschenworten zu uns.

Unser Bibelwort rechnet die Frohe Botschaft vom gekreuzigten und wiederkommenden Jesus Christus damit dem Bereich des Logos zu, aber es spricht dezidiert vom logos prophetikos, vom prophetischen Wort; und hier zeigt sich ein Unterschied zu unserem modernen Verständnis von Logik.

Die moderne Wissenschaft konzentriert sich ganz auf die Erkenntnis dessen, was in der Welt ist und schließt eine göttliche Kraft außerhalb unserer Erfahrung per se aus. Die prophetische Logik rechnet damit, dass es mehr gibt als das, was der Menschen mit Sinnen und Vernunft erfassen kann. Die prophetische Logik rechnet mit einem Gott, der die Liebe ist und der das Gute will, nämlich das Heil seiner Schöpfung durch Gerechtigkeit und umfassenden Frieden. Und damit haben wir zugleich einen Maßstab für Wahrheit und Halbwahrheit oder Lüge. Alle Wahrheit muss sich messen lassen am Geist der Liebe und an dem, was zu Frieden und Gerechtigkeit führt.

Was ist Wahrheit? Was ist gut und richtig zu denken und zu handeln? Der römische Präfekt Pontius Pilatus hat den vor sich, der von sich selbst sagt: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater, denn durch mich. Der stolze Römer will die Wahrheit gar nicht hören, denn er will ja ein falsches Urteil sprechen, den Unschuldigen ans Kreuz schlagen um seines eigenen Vorteils willen. Und doch kennt er die Wahrheit und offenbart die Wahrheit, wenn er über das Kreuz schreiben lässt: Jesus von Nazareth, der König der Juden, also der Gesalbte, der langersehnet Messias nach der Überlieferung der Propheten in der Heiligen Schrift.

Lügen und Halbwahrheiten haben manchmal auch lange Beine. Manchmal wird erst spät oder gar nie bekannt, wo die Unwahrheit ihr Unwesen treibt. Aber das Licht der Wahrheit scheint von außen in diese Welt hinein und verweist auf das letzte Gericht, wo das Licht der Wahrheit alle Finsternis überstrahlt. Und auf dieses Licht sollen wir in dieser dunklen Zeit unser Augenmerk richten, denn es zeigt uns, dass bald der Tag anbricht, an dem wir alle miteinander die Wahrheit und Wirklichkeit Gottes erkennen.

Der Morgenstern am Nachthimmel ist schon früh zum Symbol für das Licht der Wahrheit geworden. Aber der schönste Stern am Himmel ist nichts nütze, wenn das Licht der Wahrheit nicht auch Dein Herz erleuchtet. Alle klugen Worte sind vergeblich, wenn der Glaube Dein Leben nicht verändert. Niemand wird zum Frieden finden. wenn alles beim Alten bleibt und wir keinen Trost haben in unserem Bruder und Freund, Jesus Christus, im Gebet und im Vertrauen darauf, dass der Schöpfer allen Lebens auch Dein Leben bewahren will in Zeit und Ewigkeit. Amen.

Ihr Pfarrer Rainer Janus