Wort zum Sonntag – 3. Mai 2020

Liebe Leserinnen und Leser,

der Name des heutigen Sonntag ist „Jubilate“. Das heißt übersetzt „Jauchzet“ oder „Freuet euch“.

Grund zur Freude, Grund zum Jauchzen haben wir Menschen trotz Corona. Ich denke zum Beispiel an die Natur draußen. Der Frühling kommt mit Macht. Büsche und Bäume zeigen ein frisches Grün. Das ist das Wunder des Frühlings, das wir jedes Jahr neu erleben: Die Natur erwacht zu neuem Leben.

Und auch der Weinstock treibt die ersten zarten Blätter. Ich muss zugeben, dass ich zu denen gehöre, die sich jedes Jahr neu freuen auf die Frucht des Weinstocks und auf den Genuss eines guten Gläschens vom edlen Rebensaft.

Man hat Jesus einen Fresser und Weinsäufer genannt. Ich vermute, dass Jesus ein Weingenießer war und kein Säufer. Er hat mit Sündern gegessen und getrunken. Er war kein Kostverächter. Er konnte sich freuen, an dem, was die Natur uns schenkt. Und: Er kannte sich aus in der Kunst des Weinanbaus und mit der Arbeit der Winzer. Und seine Gleichnisse und Bilder verknüpfen den Glauben an Gott mit der Lebenswirklichkeit des Menschen.

Im Evangelium nach Johannes heißt es: Ich bin der wahre Weinstock und mein Vater der Weingärtner. Eine jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, wird er wegnehmen; und eine jede, die Frucht bringt, wird er reinigen, dass sie mehr Frucht bringe.

Ihr seid schon rein um des Wortes willen, das ich zu euch geredet habe. Bleibt in mir und ich in euch. Wie die Rebe keine Frucht bringen kann aus sich selbst, wenn sie nicht am Weinstock bleibt, so auch ihr nicht, wenn ihr nicht in mir bleibt.

Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun. Wer nicht in mir bleibt, der wird weggeworfen wie eine Rebe und verdorrt, und man sammelt sie und wirft sie ins Feuer und sie müssen brennen.

Wenn ihr in mir bleibt und meine Worte in euch bleiben, werdet ihr bitten, was ihr wollt, und es wird euch widerfahren. Darin wird mein Vater verherrlicht, dass ihr viel Frucht bringt und werdet meine Jünger. (Johannes 15, 1-8)

Vielleicht denkt manch einer bei diesem Bibelwort an die Vielfalt von Rebsorten, die hier in unserer Gegend angebaut werden und an den Genuss, den so ein Viertele vom fruchtigen Müller oder vom erdigen Spätburgunder bietet. Und manch ein Weinkenner und Liebhaber wird ins Schwärmen geraten, wenn er an einen weißen oder grauen Burgunder oder an einen ebenso anspruchsvollen wie unverwechselbaren Gewürztraminer denkt.

Aber ein Rebstock allein macht noch lange keinen Wein. Da ist noch einiges zu tun bis zur anspruchsvoll ausgebauten Spätlese und zur silbernen oder goldenen Weinprämierung. Der Ausbau des Weines im Keller erfordert einen ausgeprägten Weinverstand und viel Erfahrung. Das Geheimnis des Weines das Geheimnis des Weines beginnt schon viel früher: Es beginnt beim Anbau und bei der Pflege des Rebstocks; lange vor der Ernte, vor der Kelterung und vor der Reifung und Lagerung im Keller.

Zum Geheimnis des Weines gehört auch der fachgerechte Rebschnitt. Im Laufe der Wintermonate werden die Ruten am Kopf des Weinstocks entfernt bis auf eine oder zwei, die aber auf wenige Augen eingekürzt werden. Später werden dann noch weitere Rückschnitte vorgenommen: Z. B. die Entfernung der unfruchtbaren Geiztriebe. An diesen Rückschnitt denkt Jesus, wenn er sagt: Eine jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, wird mein Vater, der Weingärtner, wegnehmen; und eine jede, die Frucht bringt, wird er reinigen, dass sie mehr Frucht bringt.

Ich denke, ein jeder von uns kennt das Gefühl, dass unser Leben fruchtlos verläuft, dass wir nutzlos sind, dass alles misslingt und keinen Sinn und kein Ziel hat. Auch als Christen kennen wir Zeiten, wo wir uns wie vom Leben abgeschnitten fühlen, wo wir verbittert, enttäuscht und zutiefst deprimiert sind. Aber das ist nicht die Bestimmung unseres Lebens. Im Gegenteil: Unser Leben soll Früchte tragen und seinen Ertrag bringen.

Aber Früchte trägt ein Leben nicht aus sich selbst heraus. Gott lässt wachsen und wir brauchen zum Gelingen seinen Segen. Wir brauchen einen lebendigen Glauben, der uns mit Gott und unseren Mitmenschen im Geist der Liebe verbindet.

Corona stellt vieles in Frage, was uns bisher vertraut war. Durch Kontaktverbote wird unser soziales Miteinander auf die Probe gestellt. Ohne Gottesdienst verliert der Sonntag seinen Glanz. Aber der Glaube beruht auf Gottes Wort – und das kann jeder lesen. Darum hat Luther einst die Bibel in unsere Sprache übersetzt.

Jesus sagt: Ohne mich könnt ihr nichts tun. Viele Menschen sagen auch: Ohne mich! Ich habe genug von den Einschränkungen, die die Politik uns in dieser Zeit auferlegt. Ich will wieder in aller Freiheit so leben, wie es mir in den Sinn kommt. Aber die Freiheit des Einzelnen hat ihre Grenze am Wohl der Mitmenschen. Ohne mich könnt ihr nichts tun, heißt auch, ohne die Liebe zum Mitmenschen, ohne die Liebe zu den Gefährdeten, ohne Geduld und ohne Verzicht könnt ihr nichts Gutes bewirken.  Die Würde des Menschen, die das Grundgesetz schützt, ist auch älteren Menschen mit Vorerkrankungen zuzugestehen. Und genau das macht den christlichen Glauben aus: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.

Es ist schon etwas daran an diesem Bild vom Weinstock und seinen Reben. Was von Weinstock abgetrennt ist, das verdorrt und stirbt ab und wird verbrannt oder vergeht. Wo die Verbindung zum Weinstock abreißt, da stirbt die Liebe, die Wertorientierung und die Menschenwürde, da regiert der Egoismus, das Profitdenken, die Verteufelung des politischen Gegners.

Unsere Welt braucht die Verbindung zu Gott, braucht den Geist der Liebe und der Versöhnung, braucht die Früchte unseres Glaubens – sie braucht den guten Willen eines jeden, denn ohne ihn wird’s nichts werden.

Ein gutes Gläschen vom Friesenheimer Wein oder ein Blick auf die Rebhänge in unserer Region und die Arbeit der Winzer möge uns alle immer wieder daran erinnern, dass wir diese Verbindung zu unserem Gott brauchen, damit auch unser Leben Früchte tragen kann und wird - in Zeit und Ewigkeit.

Ihr Pfr. Rainer Janus

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