Wort zum Sonntag – 28. März 2021
Was ist der Glaube? Glaube hat mit Zuversicht zu tun und Hoffnung. Glaube schenkt Lebenskraft und Lebensmut.
Um zu zeigen, was es mit dem Glauben auf sich hat, erzählt die Bibel von Abraham, der nicht nur der Stammvater vieler Völker, sondern auch der Vater des Glaubens genannt wird.
Im Hebräerbrief lesen wir: Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht dessen, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht.
In diesem Glauben haben die Alten Gottes Zeugnis empfangen.
Durch den Glauben wurde Abraham gehorsam, als er berufen wurde, an einen Ort zu ziehen, den er erben sollte; und er zog aus und wusste nicht, wo er hinkäme. Durch den Glauben ist er ein Fremdling gewesen im Land der Verheißung wie in einem fremden Land und wohnte in Zelten mit Isaak und Jakob, den Miterben derselben Verheißung. Denn er wartete auf die Stadt, die einen festen Grund hat, deren Baumeister und Schöpfer Gott ist. Durch den Glauben empfing auch Sara, die unfruchtbar war, Kraft, Nachkommen hervorzubringen trotz ihres Alters; denn sie hielt den für treu, der es verheißen hatte. Darum sind auch von dem einen, dessen Kraft schon erstorben war, so viele gezeugt worden wie die Sterne am Himmel und wie der Sand am Ufer des Meeres, der unzählig ist. Diese alle haben durch den Glauben Gottes Zeugnis empfangen und doch nicht die Verheißung erlangt, weil Gott etwas Besseres für uns vorgesehen hat: dass sie nicht ohne uns vollendet würden.
Darum auch wir: Weil wir eine solche Wolke von Zeugen um uns haben, lasst uns ablegen alles, was uns beschwert, und die Sünde, die uns umstrickt. Lasst uns laufen mit Geduld in dem Kampf, der uns bestimmt ist, und aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens, der, obwohl er hätte Freude haben können, das Kreuz erduldete und die Schande gering achtete und sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones Gottes. Gedenkt an den, der so viel Widerspruch gegen sich von den Sündern erduldet hat, dass ihr nicht matt werdet und den Mut nicht sinken lasst.
Es war ein Tag wie tausend andere und doch war es ein besonderer Tag: Der Tag, an dem Abraham seine Heimat verlassen hat. „Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen will.“ Abraham packte seine sieben Sachen. Freunde und Bekannte ließ er zurück. Er nahm Abschied von allem, was ihm vertraut war und machte sich auf den Weg in eine ungewisse Zukunft.
Land war ihm verheißen und Nachkommen, so viel wie Sand am Meer und Sterne am Himmel. Gesegnet sollte er sein und selbst zum Segen werden. Gott hat es ihm gesagt. Und Abraham hat dem Wort Gottes sein Vertrauen geschenkt.
Was unterscheidet uns von diesem Abraham? Geht es uns nicht genauso. Wir kommen auf die Welt. Wir werden ins Leben hineingeworfen. Unsere Eltern können wir uns nicht aussuchen oder die Verhältnisse unter denen wir aufwachsen. Auch nicht die Gaben und Fähigkeiten, die uns in die Wiege gelegt sind. Und mit dem Tag unserer Geburt beginnt ein Weg. Dieser Weg führt in eine unbekannte Zukunft.
Ich erinnere mich an ein Bild, das in einen Schulbuch abgedruckt war. Es zeigt einen jungen Menschen in einem Raum, der an die Kindheit erinnert. Ein Teddybär liegt rum. In einer Ecke steht die Schultasche mit dem Mäppchen und den Schulheften. Die Tür ist geöffnet und der junge Mensch hat sich zum Gehen gewandt. Durch die Tür kann man eine lange graue Treppe erkennen. Aber man weiß nicht, wohin diese Treppe führt. Sie verschwindet im undeutlichen Grau des Nebels.
Das Bild symbolisiert den Weg heraus aus der behüteten Kindheit hinein in die Selbstbestimmung des Lebens als Erwachsener. Unsere Konfirmandinnen und Konfirmandinnen stehen vor der Herausforderung, diese Wegstrecke zu bewältigen.
Aber es sind ja nicht nur die Kinder oder unsere Jugendlichen, die ihren Weg in Zukunft gehen. Manch einer fragt sich auch als Erwachsener, wohin soll es gehen, ganz besonders dann, wenn Hindernisse sich auftürmen. Wie soll es weitergehen, wenn sich nicht alles so vorteilhaft entwickelt, wie wir uns das vorgestellt und gewünscht haben. Wie soll es weitergehen, wenn das Glück der Ehe und der Familie unter unseren Händen einfach zerbricht? Manchmal haben wir eine Wahl und können uns entscheiden, ob wir die Zähne zusammenbeißen und bleiben, oder einen neuen Anfang wagen. Manchmal werden wir auch vor vollendete Tatsachen gestellt und müssen hinnehmen, was uns nicht gefällt.
Die Zeit läuft. Der Weg geht weiter. Und mit dem Weg verbunden ist auch der Gedanke, dass es ein Sterben gibt. Wie wird das sein? Und was kommt danach? Wir wissen es nicht. Wir können nur glauben und hoffen, dass der Weg und das Ziel in Gottes guten Händen liegen.
So nahm Abram Sarai, seine Frau, und Lot, seines Bruders Sohn, mit aller ihrer Habe, die sie gewonnen hatten, und die Leute, die sie erworben hatten in Haran, und zogen aus, um ins Land Kanaan zu reisen. Abraham machte sich auf den Weg. Er ging los, ohne zu wissen, was dieser Weg alles mit sich bringen sollte. Er wagte den Aufbruch in der Hoffnung, dass Gott wahrmachen wird, was er verheißen hat.
"Der Glaube ist ein Vogel, der singt, wenn die Nacht noch Dunkel ist", sagt der indische Philosoph Rabindranath Tagore. Abraham geht seinen Weg in der Gewissheit, dass auf die Nacht ein Morgen folgt. "Der Glaube ist eine feste Zuversicht auf das, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht", heißt es in unserem Bibelwort. Abraham setzt seine Zuversicht in Gottes Wort. „Gott erfüllt nicht alle unsere Wünsche, aber alle seine Verheißungen“, daran erinnert uns der Pfarrer und Theologe Dietrich Bonhoeffer. Abraham vertraut darauf, dass Gott sein Versprechen erfüllt: Ich will dich segnen und dir einen großen Namen machen, und du sollst ein Segen sein.
Auch am Anfang unserer Lebensreise steht der Segen und die Verheißung Gottes. So spricht der Herr: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen. Du bist mein. Das ist das Wort Gottes, das wir hören, wenn wir in seinem Namen getauft werden. Die Taufe ist das Zeichen, dass Gott uns mit seiner Liebe begleiten will auf unserem Weg. Aus der Taufe leben, bedeutet, den Weg des Lebens zu gehen, im Vertrauen darauf, dass wir aus Gottes Liebe nicht herausfallen können, egal was geschieht. Jesus Christus spricht: Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.
Nun wird vielleicht jemand einwenden und sagen: So ganz einfach hat es der Abraham mit seinem Glauben nicht gehabt. Und das ist sicher richtig. Wenn er in der Nacht nicht schlafen konnte und den Sternenhimmel über sich sah, dann wird er daran gedacht haben, wie das mit den Nachkommen in Erfüllung gehen sollte, wenn er doch so lange mit Sarah, seiner Frau, kinderlos geblieben war. Zweifel werden ihm gekommen sein und Fragen. Was ist das für ein Gott, der uns so lange warten lässt? Was ist das für ein Gott, der nicht handelt, auch wenn wir noch so sehr ihn bitten im Gebet? Gibt es diesen Gott überhaupt? Kann ich weiter auf sein Wort vertrauen, weiter darauf hoffen, dass sein Wort wahr wird?
Eines Tages war es dann so weit. Abraham und Sarah ist das Warten zu lang geworden. Der Zweifel nagte an so sehr an ihnen, dass sie beschlossen, ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen. Abraham sollte mit Hagar, der Magd, ein Kind zeugen. Wenn Gott so lange untätig blieb, so wollten sie das Menschenmögliche tun, nach dem Motto „Eine Notlösung ist auch eine Lösung“. Ismael hieß der Sohn. Aber Gott erwählte nicht Ismael, das Kind der Magd Hagar, als Stammvater seines Volkes, sondern Isaak, den Sohn, den schließlich im hohen Alter Abrahams Frau Sarah zur Welt brachte.
Und noch einmal stellte Gott den Glauben Abrahams auf eine harte Probe. Abraham soll dieses lang ersehnte Kind plötzlich wieder hergeben. Er soll seinen Sohn Isaak opfern. Und Abraham ahnt nicht, dass Gott ihm etwas ganz anderes zeigen wollte. Abraham gehorcht. Er zeigt blinden Gehorsam. Er traut diesem Gott tatsächlich zu, dass er ein Menschenopfer von ihm verlangte. Aber dieser Gott ist doch der Gott des Lebens und der Liebe. Und erst im letzen Moment erkennt Abraham, dass Gott das Leben will und nicht den Tod. Und so, wie das Tieropfer, das Abraham an Stelle Isaaks darbrachte, so hat Gott in Christus sich selbst als Opfer dargebracht, damit wir leben. Gehorsam darf nicht blind sein. Er darf der Liebe und der Ehrfurcht vor dem Leben nicht widersprechen.
Der Weg des Lebens und des Glaubens ist kein Spaziergang. Und manchmal ist es der Glaube, der uns manchen Schritt schwerer und unbequemer macht.
Abraham hätte in Haran bleiben können. Wer weiß, wie sein Schicksal ausgesehen hätte. Vielleicht wäre er alt, lebenssatt und kinderlos verstorben. Weil er aber auf Gottes Wort gehört hat, weil er aufgebrochen ist, ist er zum Segen geworden für alle Völker und Geschlechter der Erde. Sein Glaube verbindet uns mit dem Judentum und mit dem Islam. Abraham ist das Wagnis des Glaubens eingegangen und hat erleben dürfen, dass Vertrauen trägt.
In unserem Bibelwort zur Predigt heißt es: Denn Abraham wartete auf die Stadt, die einen festen Grund hat, deren Baumeister und Schöpfer Gott ist. Das ist die Hoffnung, die alle Menschen verbindet, die mit Abraham den Weg des Glaubens gehen - die Hoffnung, dass der Gott, der uns führt und begleitet im Leben und im Sterben, dereinst erfahrbar mitten unter uns ist und dass er abwischen wird alle Tränen von unseren Augen. Mag der Weg durch manches finstere Tal uns führen: Wir werden das Ziel erreichen und leben in Ewigkeit. Amen
Ihr Pfarrer Rainer Janus