Wort zum Sonntag – 24.10.2021

Jesus Christus spricht: Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen bin, Frieden zu bringen auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert.

Denn ich bin gekommen, den Menschen zu entzweien mit seinem Vater und die Tochter mit ihrer Mutter und die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter. Und des Menschen Feinde werden seine eigenen Hausgenossen sein.

Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert; und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert.

Und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und folgt mir nach, der ist meiner nicht wert. Wer sein Leben findet, der wird's verlieren; und wer sein Leben verliert um meinetwillen, der wird's finden. (Mt 10, 34-39)

In seiner Bergpredigt zeigt Jesus die Alternativen klar auf, wenn er sagt: Niemand kann zwei Herren dienen: entweder er wird den einen hassen und den andern lieben, oder er wird dem einen anhangen und den andern verachten. Er bezieht sich damit auf die biblische Tradition des Alten Testament und der Zehn Gebote, wo es heißt: Ich bin der Herr, dein Gott, … Du sollst keine anderen Götter neben mir haben.

Das ist eine klare Absage an alle, die es allen und jedem recht machen wollen. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon. Es gibt keine echte Alternative zum Leben. Die einzige Alternative wäre der Tod und die ewige Sinnlosigkeit. Deswegen vertrauen wir auf den Gott, der das Leben geschaffen hat, der seine Geschöpfe liebt und unser Leben in aller Zukunft bewahrt.

Deswegen klingen die Worte Jesu so hart und kompromisslos: Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen bin, Frieden zu bringen auf die Erde. Im griechischen Wortlaut steht das Wort βάλλω und das heißt eigentlich nicht bringen, sondern werfen. Jesus sagt: Ich bin nicht gekommen, den Frieden vor euch hin auf die Erde zu werfen. Es kann nicht sein, dass ihr um des lieben Friedens willen, oder um der Bequemlichkeit willen, den Willen Gottes hintanstellt. Auf dem Spiel steht das Leben, das ich gewinnen oder verlieren kann, nicht allein das irdische Leben, sondern auch meine Lebens- und Zukunftsperspektive bei Gott.

Bundeskanzlerin Merkel wurde auf dem EU-Gipfel in Brüssel als Politikerin gewürdigt, die nichts unversucht gelassen hat, in aussichtslosen Situationen Auswege zu suchen, die weiterführen – eine Politikerin, die sich nicht mit faulen Kompromissen zufrieden gegeben hat, sondern tragfähige und ehrliche Brücken gebaut und zukunftsfähige Perspektiven eröffnet hat. Vermutlich hat Angela Merkel damit auch viel für den Frieden in Europa und der Welt getan. Krieg oder Frieden, Armut oder Wohlstand, Diktatur oder Freiheit sind echte Lebensfragen, und wir werden das, was unsere Vorfahren erkämpft haben, festhalten und verteidigen müssen, damit nicht plötzlich wieder andere Zeiten anbrechen, die niemand von uns wirklich wollen kann.

Wenn Jesus sagt, dass er anstelle des Friedens, das Schwert oder den Dolch bringe, dann ist damit nicht der Krieg und die Gewalt gemeint. Es gab zu jener Zeit die Zeloten, die als Widerstandskämpfer, gegen die römische Besatzung in Palästina einen Krieg aus dem Hinterhalt führten. Ihre Waffe war unter anderem der Dolch oder das Kurzschwert. Aber Jesus war kein Zelot. Er stand in der Tradition der Propheten Israels, nach denen Schwerter, Waffen, bekanntlich umgeschmiedet werden sollen in Pflugscharen und dem Frieden dienen.

Schwert und Dolch haben noch eine andere Bedeutung: sie schneiden und zerteilen. Und sie stehen sinnbildlich für die Kunst des Erkennens und Unterscheidens. Nur durch Unterscheidung kann ein Wesen die Welt erkennen und sich zurechtfinden. Die Bibel berichtet, wie Adam jedem Tierlein seinen Namen gegeben hat, Schildkröte und Dromedar. Und die Wissenschaft ist heute so weit, dass sie dank genetischer Analysen Varianten eines Virus bestimmen kann.

Die Gefahr droht da, wo nicht richtig getrennt und unterschieden oder gar alles in einen Topf geworfen wird. Darum wird der Satan, auch Diabolos genannt. Diabolos ist im griechischen der, der alles einfach durcheinander wirft und keine Unterscheidung mehr möglich macht. Und dann ist der Bosheit und der Verführung Tür und Tor geöffnet.

Wir kennen solche Szenarien aus der Welt der Verschwörungstheorien, wenn beispielsweise Corona mit Schnupfen in eins gesetzt wird und die vielen Todesopfer der Pandemie verharmlost werden mit dem Hinweis, dass sie irgendwann ohnehin gestorben wären. Covid 19 ist aber für uns nicht harmlos wie ein Schnupfen, sondern gefährlich, auch was mögliche Langzeitfolgen betrifft. Und viele Menschen könnten noch leben, wenn sie eben nicht angesteckt worden wären. Eine Schutzimpfung ist sinnvoll, weil sie nicht nur das eigene Leben schützt, sondern auch die Gesundheit unserer Mitmenschen.

Der Riss geht manchmal mitten durch die Familie. Ein Bruder lässt sich impfen, auch um seine alten Eltern weiter besuchen und begleiten zu können. Der andere lässt sich dezidiert nicht impfen, auch seine Familie nicht, und kommt auch nicht mehr ins Elternhaus.

Der Riss muss manchmal mitten durch die Familie gehen. Jesus sagt: Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert; und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert.

Das höchste Gebot Jesu lautet: Du sollst Gott lieben und deinen Nächsten wie dich selbst. Das ist ein Balanceakt. Ich muss abwägen zwischen Gott, meinen Mitmenschen und meinen eigenen Interessen. Ich muss ein Gleichgewicht, einen Ausgleich finden. Wer seine Familie mehr liebt als Gott, oder als sich selbst, der verliert das nötige Gleichgewicht.

Ja, wir sollen die Älteren, und damit auch die Eltern, achten und ehren und lieben. Aber das heißt nicht, dass wir um des lieben Familienfriedens willen unser Leben und unsere Zukunft opfern sollen. Jesus selbst hat seine eigene Familie schroff abgewiesen, als sie seine Verkündigung als Wanderprediger peinlich fanden und ihn zurückholen wollten nach Hause in die Zimmermannswerkstatt. Und dem, dem das Begräbnis des Vaters wichtiger war als Gottes Wille und das eigene Seelenheil, sagt Jesus: Lass die Toten ihre Toten begraben. Jesus weiß die Toten in Gottes Hand und will den Blick weg von der Trauer auf das Leben und die Zukunft richten.

Jesus wendet sich hier also nicht gegen die Familie oder gegen die Liebe zwischen Eltern und Kindern. Das wäre ein böses Missverständnis. Aber er weist dem Familienverband den Stellenwert zu, den er haben sollte, um das Gleichgewicht zwischen Gott, Mensch und Mitmensch nicht in eine ungute Schieflage zu bringen. Wir dürfen unsere Familienangehörigen lieben und wertschätzen, aber wir sollten auch  dabei das rechte Maß nicht verlieren.

Wichtig ist das Leben. Und wichtig ist die Zukunft. Aber Jesus hat uns nicht versprochen, dass unser Weg in die Zukunft in Rosen gebettet ist. Selbst Rosen, Symbole der Liebe, haben Dornen. Von Konflikten und Auseinandersetzungen werden wir nicht verschont bleiben. Und manche Schmerzen fühlen sich an, wie ein Stich mit einem Dolch, wie ein Hieb mit einem Schwert.

Was Jesus uns zusagt, ist seine Treue als der gute Hirte. Er ist durch Schmerz und Leid den Weg ans Kreuz gegangen. Auf unserem Weg will er auch in schweren Tagen und schweren Entscheidungen unser Freund und Begleiter sein. Und das hat er am Tag unserer Taufe uns verheißen mit den Worten: Siehe, ich bin bei Euch alle Tage, bis an der Welt Ende. Amen.

Ihr Pfarrer Rainer Janus