Wort zum Sonntag – 20. Dezember 2020

Im ersten Buch Mose lesen wir von Sarah und Abraham, denen Gott Nachkommen verheißen hatte, die aber bis ins hohe Alter kinderlos geblieben waren:

Und der HERR erschien ihm im Hain Mamre, während er an der Tür seines Zeltes saß, als der Tag am heißesten war.

Und als er seine Augen aufhob und sah, siehe, da standen drei Männer vor ihm. Und als er sie sah, lief er ihnen entgegen von der Tür seines Zeltes und neigte sich zur Erde.

Da sprachen sie zu ihm: Wo ist Sara, deine Frau? Er antwortete: Drinnen im Zelt. Da sprach er: Ich will wieder zu dir kommen übers Jahr; siehe, dann soll Sara, deine Frau, einen Sohn haben. Das hörte Sara hinter ihm, hinter der Tür des Zeltes. Und sie waren beide, Abraham und Sara, alt und hochbetagt, sodass es Sara nicht mehr ging nach der Frauen Weise.

Darum lachte sie bei sich selbst und sprach: Nun, da ich alt bin, soll ich noch Liebeslust erfahren, und auch mein Herr ist alt! Da sprach der HERR zu Abraham: Warum lacht Sara und spricht: Sollte ich wirklich noch gebären, nun, da ich alt bin? Sollte dem HERRN etwas unmöglich sein? Um diese Zeit will ich wieder zu dir kommen übers Jahr; dann soll Sara einen Sohn haben. Da leugnete Sara und sprach: Ich habe nicht gelacht –, denn sie fürchtete sich. Aber er sprach: Es ist nicht so, du hast gelacht. (1. Mose 18, 1-2.9-15)

Sarah hat gelacht. Und das war gut so. Lachen ist schließlich besser als Weinen. Lachen hilft auch über deprimierende Erfahrungen und deprimierende Zeiten hinweg.

Sie war an der Seite eines Mannes alt geworden, der stets an seinem Gottvertrauen festgehalten hatte. Abraham war Segen verheißen: Zu diesem Segen gehörte das Land, von dem später gesagt wurde, dass dort Milch und Honig fließen. Zu diesem Segen gehörte aber auch eine zahlreiche Nachkommenschaft, Kinder und Enkel, die dieses Land bebauen und bewahren sollten. Dieser Kindersegen war ausgeblieben. Und das hatte auch etwas mit ihr zu tun, denn das war ihre Sehnsucht gewesen, einem Kind das Leben zu schenken und es aufwachsen zu sehen.

Jetzt, wo sie älter geworden war, konnte sie nur noch darüber lachen – sie hätte sonst weinen müssen. Und sie hätte sonst davon sprechen müssen, wie enttäuscht sie von ihrem Leben war – und wie enttäuscht sie von diesem Gott war, der sie im Stich gelassen hatte mit ihren Wünschen und Hoffnungen und der seine Verheißungen nicht erfüllt hatte. Das Land hatten sie bekommen, aber was nützt das schönste Land, wenn es niemanden gab, der es einst ererben konnte.

Die südafrikanische Theologin Denise Ackermann schreibt: „Selig sind, die über die Unstimmigkeiten im Leben schmunzeln können, denn ihnen gelingt es, auch über sich selbst zu lachen.“ Sie steht mit dieser Meinung in einem fundamentalen Gegensatz zu den Theologen des hohen Mittelalters. Für die alte Kirche war Glaube und Religion eine durch und durch ernste Sache und das Lachen eine Sünde. Schließlich stehen wir alle vor dem Richterstuhl Gottes und müssen vor seiner Gerechtigkeit bestehen. (Wer den Namen der Rose von Umberto Ecco gelesen oder gesehen hat, weiß das.)

Aber Sarah ist nicht allein mit ihrem Lachen. Die Bibel berichtet uns ausdrücklich, dass auch ihr Mann, Abraham, das große Vorbild des Glaubens, lacht. Und zwar aus genau demselben Grund: Gott verheißt ihm, dass er zum Stammvater vieler Völker werden sollte. Und dann heißt es: Da fiel Abraham auf sein Angesicht und lachte und sprach in seinem Herzen: Soll mir mit hundert Jahren ein Kind geboren werden, und soll Sara, neunzig Jahre alt, gebären?

Abraham zweifelt – und er lacht Gott aus. Die Zeit, dass Abraham und Sarah das Wunder des Lebens erfahren könnten ist vorbei. Die biologische Uhr des Körpers ist abgelaufen.

Auch heute gibt es Paare, die sich danach sehnen, eine Familie zu werden und die vielleicht ahnen können, was in Sarah vorgegangen sein mag und was Abraham wohl empfunden und gedacht hat. Die Diagnose „unerfüllter Kinderwunsch“ prägt ein Leben und so manche Partnerschaft. Und diese Diagnose ist verbunden mit einem ungewissen Warten und einer ungewissen Hoffnung.

Es ist ein unendlich großes Glück, wenn die moderne Medizin helfen kann und der Kinderwunsch in Erfüllung geht. Aber es gibt auch viele, die lernen müssen, sich mit ihrer Situation abzufinden, und sich aufmachen müssen, um einen anderen Sinn in ihrem Leben zu suchen und zu finden.

Wer Sarah hätte ins Herz schauen können, der hätte darin unendlich viel Leid und Enttäuschung finden können, ebenso bei Abraham. Ihre Gedanken waren bittere Gedanken und ihr Lachen war ein bitteres Lachen. Aber wo wir Menschen mit unserem Verstand am Ende sind, da ist Gott nicht am Ende. Es ist der Gott, der aus dem Nichts das Leben geschaffen hat. Er wird seine Verheißung erfüllen – auch wenn wir das nicht mehr für möglich halten.

Zum Glauben gehört die Geduld. Das haben Abraham und Sarah schmerzhaft lernen müssen. Und das müssen auch wir immer wieder neu lernen.

Es gibt so vieles, was uns zweifeln lässt. Es gibt Menschen, die immer wieder fragen, wie kann Gott diese weltweite Krankheit zulassen. Es gibt Menschen, die fanatisch an verquere Verschwörungen glauben. Wo kein Glaube mehr ist, da fehlt es auch an den ethischen Werten für die Gestaltung des eigenen Lebens, oder um es ganz einfach zu sagen, jeder denkt nur noch an sich selbst und seinen eigenen Vorteil.

Aber Gott ist treu. Und Gott hat Geduld – auch im Umgang mit Zweiflern. Abraham und Sarah bleiben nicht allein mit ihrem Glauben und ihren Zweifeln. Sie bekommen Besuch. Gott kommt und bringt Frieden den Menschen seines Wohlgefallens – er kommt auch zu uns. Er kommt in unsere Häuser und Wohnungen, wenn jetzt an diesen Feiertagen die Weihnachtsgeschichte lesen und die bekannten Melodien hören. Er kommt in unsere Herzen, wenn wir dort Platz haben für seine Liebe, die unser ganzes Leben und Handeln bestimmen soll.

Dass es in der Geschichte von Abraham und Sarah drei Männer sind, das hat man oft als Hinweis auf die drei Personen Gottes, Vater, Sohn und Heiliger Geist verstanden. Aber egal ob drei Personen oder eine - Dreieinigkeit besagt ja genau das - Sarah wird zu Rede gestellt. Sie leugnet, aber Gott bleibt bei der Wahrheit – und verurteilt dennoch nicht: Im Gegenteil: Sarah wird das Wunder des Leben am eigen Leib erleben.

Wer die Geschichte in der hebräischen Sprache liest, dem wird der Name des Kindes auffallen. Das Kind heißt Isaak. Und Isaak heißt übersetzt: Er hat gelacht. Man kann auch übersetzten: Er hat zum Lachen gebracht.

Gemeint sind jedoch nicht Sarah und auch nicht Abraham. Gemeint ist auch nicht das bittere Lachen, das der Enttäuschung und dem Zweifel entspringt. Die Bedeutung des Namens ist: Gott hat gelacht oder Gott hat zum Lachen gebracht.

Es ist das Lachen einer Mutter, die ihr Kind in den Armen hält. Es ist das Lachen der Liebenden, die sich gefunden haben. Es ist die Freude, in Gott einen Freund und Begleiter zu haben, der auch im finstersten Tal nicht von deiner Seite weicht; einer, der alle unsere Ängste kennt und sie beim Namen nennt.

Diese Lachen möge auch uns begleiten auf unserem Weg durch diese Zeit – bis wir erleben, dass der Gott des Lebens seine Verheißung wahr macht und sein Reich der Gerechtigkeit und des Friedens heraufführt – damit auch die lachen können, die sonst nichts zu lachen haben.

Gottes Heil hat schon begonnen mit Sarah und Abraham, mit Maria und Josef. Freut euch, lacht mit, denn was Gott angefangen hat, das wird er auch vollenden in Zeit und Ewigkeit. Amen.

Pfarrer Rainer Janus

PDF Datei: Wort zum Sonntag Vierter Advent