Wort zum Sonntag – 17. Mai 2020

Liebe Leserinnen und Leser,

leere Regale in den Lebensmittelgeschäften – wer hätte das gedacht? Nicht nur das Toilettenpapier fehlte plötzlich in den Regalen, nein auch Teigwaren, Mehl, Zucker und Hefe.

Das winzig kleine Coronavirus hat in unserer Welt gewaltig große Veränderungen bewirkt. Die Folgen sind immer noch nicht vollständig absehbar. Aber – Gott sei Dank – hat sich die Lage inzwischen doch etwas entspannt.

Die Begegnung mit der Krankheit und ihren Folgen hat auch uns selbst und unser aller Denken verändert. Die Betroffenheit hat uns alle nachdenklicher gemacht.

Was früher noch selbstverständlich war und einfach so dazugehörte, das wird jetzt als besonders wertvoll eingeschätzt und wert geachtet: der Dienst der Ärztin und des Pflegers am Krankenbett, die Arbeit der Erzieherin im Kindergarten, der Einsatz des Polizeibeamten im Kampf gegen die Unvernunft von Besserwissern. Ich denke auch an den Dienst von Eltern an ihren Kindern, die Erziehung und Begleitung brauchen, Hilfestellung beim Lernen und ein Gegenüber zum Spielen. Und selbst der ganz normale Kontakt zu Freunden und Bekannten hat in Zeiten sozialer Isolation einen ganz neuen Stellenwert für uns bekommen.

Trotzdem fehlen uns manchmal die Worte, um das alles zum Ausdruck zu bringen: unsere Dankbarkeit, unsere Hoffnung, unsere Unsicherheit, unsere Not und unsere Ängste.

Auch die Menschen, die damals mit dem Rabbi Jesus von Nazareth durch die Lande zogen, waren nachdenklicher geworden. Was sie von ihm hörten und mit ihm erlebten, seine Geduld, seine Liebe und seine Haltung zu Gott, das alles eröffnete ihnen einen neuen und veränderten Blick auf die Welt und auf das Leben.

Aber auch ihnen fehlten die nötigen Worte und so hat Jesus ihnen in der Bergpredigt Worte ans Herz gelegt, die ungeheuer viel von dem zum Ausdruck bringen von dem, was uns Menschen am Herzen liegt und uns im Innersten bewegt.

Im Matthäusevangelium lesen wir: Jesus Christus spricht: Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht sein wie die Heuchler, die gern in den Synagogen und an den Straßenecken stehen und beten, um sich vor den Leuten zu zeigen. Wahrlich, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon gehabt. Wenn du aber betest, so geh in dein Kämmerlein und schließ die Tür zu und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir's vergelten. Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht viel plappern wie die Heiden; denn sie meinen, sie werden erhört, wenn sie viele Worte machen. Darum sollt ihr ihnen nicht gleichen. Denn euer Vater weiß, was ihr bedürft, bevor ihr ihn bittet.

Darum sollt ihr so beten: Unser Vater im Himmel! Dein Name werde geheiligt. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben. Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, so wird euch euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben. (Matthäus 6, 5-15)

Im Zentrum des wichtigsten Gebets der Christenheit steht eben nicht irgendeine abstrakte Bitte um den Geist der Liebe, sondern schlicht und einfach die ganz konkrete Bitte um das tägliche Brot. Das zeigt wie bodenständig und lebensnah unser christlicher Glaube ist.

Wer betet wird immer wieder neu um Worte ringen, aber das Vaterunser zeigt, wie schlicht und einfach wir mit Gott reden können. Denn er hört alle unsere Gebete: keine Not ist ihm zu gering, kein Anliegen zu unwichtig.

Der Name des Sonntags Rogate ist eine Aufforderung und heißt übersetzt: Betet! Dieser Sonntag erinnert uns im Jahreslauf daran, dass wir vor Gott alles aussprechen können, was uns bewegt. Dabei spielt es sicher keine Rolle, ob das im stillen Kämmerlein geschieht, in der feierlichen Ruhe eines Gottesdienstes oder draußen in Gottes wunderschöner Natur.

Und wenn wir keine eigenen Worte finden, dann greifen wir eben zu denen, die Jesus uns gelehrt hat. Vielleicht denken wir beim täglichen Brot an die leeren Regale beim Discounter: Mehl und Hefe. Vielleicht bedeutet „erlöse uns von dem Bösen“ für uns heute, „hilf uns, diese Krankheitswelle heil zu überstehen – heil an Leib und Seele“!

Ich persönlich freue mich sehr auf den kommenden Sonntag, an dem unsere Kirche wieder für den Gottesdienst geöffnet wird und wir das Gebet Jesu wieder gemeinsam sprechen – wenn auch leise, um der Krankheit keine neue Chance zu geben.

Ihr Pfarrer Rainer Janus

 

Als PDF-Datei herunterladen: Wort zum Sonntag Rogate