Wort zum Sonntag – 12. Juli 2020
Liebe Leserinnen und Leser,
begegnen sich zwei Fischer am Gewässer, dann heißt es nicht „Hallo“ und auch nicht „Guten Tag“ oder „Grüß Gott“.
Der Gruß der Angler und Fischer lautet: „Petri Heil“.
Alle kennen diesen speziellen Gruß, aber kaum jemand weiß, dass dieser Gruß auf die biblische Geschichte vom Fischzug des Petrus zurückgeht.
Der Evangelist Lukas schreibt: Es begab sich aber, als sich die Menge zu ihm drängte, zu hören das Wort Gottes, da stand er am See Genezareth. Und er sah zwei Boote am Ufer liegen; die Fischer aber waren ausgestiegen und wuschen ihre Netze. Da stieg er in eines der Boote, das Simon gehörte, und bat ihn, ein wenig vom Land wegzufahren. Und er setzte sich und lehrte die Menge vom Boot aus. Und als er aufgehört hatte zu reden, sprach er zu Simon: Fahre hinaus, wo es tief ist, und werft eure Netze zum Fang aus! Und Simon antwortete und sprach: Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen; aber auf dein Wort hin will ich die Netze auswerfen. Und als sie das taten, fingen sie eine große Menge Fische und ihre Netze begannen zu reißen. Und sie winkten ihren Gefährten, die im andern Boot waren, sie sollten kommen und ihnen ziehen helfen. Und sie kamen und füllten beide Boote voll, sodass sie fast sanken. Da Simon Petrus das sah, fiel er Jesus zu Füßen und sprach: Herr, geh weg von mir! Ich bin ein sündiger Mensch. Denn ein Schrecken hatte ihn erfasst und alle, die mit ihm waren, über diesen Fang, den sie miteinander getan hatten, ebenso auch Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, Simons Gefährten. Und Jesus sprach zu Simon: Fürchte dich nicht! Von nun an wirst du Menschen fangen. Und sie brachten die Boote ans Land und verließen alles und folgten ihm nach. (Lukas 5, 1-11)
In der katholischen Tradition ist Petrus der Schutzpatron der Angler und Fischer. Dabei war dieser Petrus kein strahlender Held. Im Gegenteil: Er war eher ein Versager und hatte immer wieder mit seinen eigenen Unzulänglichkeiten zu kämpfen. Manchmal hatte er aber auch einfach nur kein Glück.
„Wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen.“ Hier geht es nicht um Anglervergnügen. Hier geht es um harte, mitunter gefährliche Arbeit mit Fischkutter und Fangnetz. Es geht um den Lebensunterhalt und um die wirtschaftliche Existenz: Kein Fisch, kein Geld.
Und die Menschen am Ufer mussten auf das Mittagessen und auf das Abendessen verzichten. In den Netzen der Fischer landeten vor allem Süßwassersardinen, die man entweder gegrillt und mit Gemüse verzehrt hat oder man hat eine Fischsuppe daraus gekocht und mit Brot verspeist. Wenn die Fischer keinen Fang mitbrachten, dann gab es im besten Fall das Gemüse ohne den Fisch und nur das Brot ohne die Suppe.
Aber genau in dieser Situation geschieht nun das, was man mit „Petri Heil“ bezeichnet. Alle sind enttäuscht und verzagt: die Menschen am Ufer und die Fischer an ihren Netzen. Sie sind müde und verzagt. Sie hören dem Rabbi zu, der von Gott erzählt. Sie hören ihm zu, bis er seltsam konkret wird.
Wir kennen das aus so vielen Predigten und wortgewaltigen Reden. Es sind schöne Worte, es sind gute Worte. Aber sind es auch Worte, die mich betreffen, Worte, die mein Leben verändern. Sind die Fragen, die gestellt werden, meine Fragen? Sind die Antworten, die gegeben werden, Antworten, die mir ins Herz gehen?
Jesus spricht Petrus direkt an. Es geht um sein Heil, Petri Heil. „Fahre hinaus, wo es tief ist, und werft eure Netze zum Fang aus!“
Dieses Heil erschöpft sich freilich nicht im Fischfang, wie manche Petrijünger bis heute meinen. Zwei übervolle Fischkutter, das ist in diesem Fall kein Anglerlatein. Es ist ein Wunder Gottes. Es ist der Überfluss der Natur, der uns ernährt und satt macht.
Das Heil Gottes ist mehr als eine gesicherte Existenz und ein bescheidener Wohlstand. Petri Heil hat etwas mit der Liebe Gottes zu tun, die in meinem Leben ihre Kreise zieht und sich ausbreitet, wie die Wellen, wenn der Stein ins Wasser fällt. Heil ist das, was trägt im Leben und im Sterben.
Petrus sieht nicht allein den Fang. Er erkennt, was dahinter steht. Und er erkennt auch die gewaltige Unterschied zwischen dem, der sich im Schweiße seines Angesichts sein Leben fristet und dem, der im Überfluss geben und schenken kann. Er beginnt etwas zu ahnen von der Unzulänglichkeit des Menschen und der grenzenlosen Liebe Gottes. Darum sagt er: Ich bin ein sündiger Mensch. Ich habe das gar nicht verdient, dass Gott sich um mich kümmert.
Er erschrickt und doch kommen ihm Zweifel. Was ist, wenn es doch so wäre? Wenn dieser Gott ein lebendiger Gott ist, wenn er mich in seinen Dienst ruft, mich einen kleinen Fischefischer am See Genezareth. Was ist, wenn er mich als Werkzeug gebrauchen will, wenn er mich zum Menschenfischer machen will, zum Felsen, auf dem er seine Kirche baut?
Und genau das erlebt der Fischer Simon Petrus auf seinem Weg mit Jesus, dass Gott ihn liebt, ihn braucht, ihn annimmt, obwohl er ein Versager ist, obwohl er vieles falsch gemacht, seinen Herrn und Heiland gleich mehrfach verraten hat.
Menschenfischer ist ein Wortspiel und meint keine Bauernfängerei. Menschenfischerei, das heißt so leben, so reden, dass andere den Weg zu Gottes Liebe finden: Den Weg zu Petri Heil.
„Und sie brachten die Boote ans Land und verließen alles und folgten ihm nach.“
Angler und Fischer sind kluge Menschen. Sie erinnern sich mit ihrem Gruß stets an das Heil, das nicht allein dem Petrus, sondern uns allen gleichermaßen verheißen ist, und das wir im Glauben und festen Vertrauen auf Gott auch erleben können: Lebensqualität, Lebensmut und Lebensfreude. Die Früchte der Liebe, die durch den Glauben in unserem Herzen wohnt.
Und wenn der Fang erfolgreich war, dann wissen Angler und Fischer, dass es nicht ihr menschliches Verdienst war und ist, sondern Gottes Gnade und Barmherzigkeit und sie sprechen ihr „Petri Dank“. Petrus hat zum Dank den Weg des Apostels eingeschlagen. Er wollte anderen etwas vom dem erzählen, was er in seiner Begegnung mit Jesus erfahren hat, was sein Leben reich und heil gemacht hat – bis in den Tod.
Wir haben unseren Weg. Und wir leben unser „Petri Dank“ auf unsere Weise - als lebendige Zeugen dessen, was uns froh macht, unser Herz erfüllt, Freude schenkt und Hoffnung bewahrt – in guten und in weniger guten Tagen. Amen.
Pfarrer Rainer Janus
Als PDF-Datei herunterladen: Wort zum Sonntag 5 Sonntag nach Trinitatis