Wort zum Sonntag – 11. Juli 2021

Matthäi am letzten steht der Abschied Jesu von seinen Jüngern.

Der Evangelist Matthäus erzählt:

Aber die elf Jünger gingen nach Galiläa auf den Berg, wohin Jesus sie beschieden hatte.

Und als sie ihn sahen, fielen sie vor ihm nieder; einige aber zweifelten.

Und Jesus trat herzu, redete mit ihnen und sprach: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und lehret alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe.

Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende. (Matthäus 28, 1-20)

In einem Witz heißt es: In den unendlichen Weiten des Weltraums treffen sich zwei Planeten. Fragt der eine den anderen: „Wie geht es Dir?“ Antwortet der andere: „Danke, schlecht.“ -  „Was hast Du denn?“ will der erste wissen. „Ich habe homo sapiens.“ lautet die Antwort. Tröstet ihn der erste: „Homo sapiens - das ist schlimm, aber Du wirst sehen, es geht vorüber.“

Das ist kein Witz, über den man wirklich gut lachen kann. Der Begriff „homo sapiens“ ist die wissenschaftliche Bezeichnung für den Menschen. Hier wird er verwendet, wie wenn es sich bei der Gattung Mensch um eine Krankheit handeln würde oder um einen Befall von Schädlingen.

Mit dem schwachen Trost, dass auch homo sapiens vorüber geht, kommt das Ende der Menschheitsgeschichte in den Blick. Und dieses Szenarium ist viel zu real, als dass man darüber lachen könnte. Kein gutes Thema für einen Witz - und auch kein gutes Thema für eine Predigt, die Mut machen, trösten und stärken sollte.

Aber so, wie die Bibel in besonderer Weise von der Schöpfung und dem Beginn allen Daseins spricht, so ist immer wieder auch in besonderer Weise vom Weltende die Rede. Nicht die Angst vor dem Weltuntergang wird geschürt, sondern die Hoffnung auf ein gutes Ende. Und für den Weg in die Zukunft können wir auf Gottes Segen und Begleitung rechnen: Wir haben es in unserem Bibelwort gehört: Jesus spricht: Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.

Die biblische Sicht unserer Lebenswirklichkeit widerspricht der trügerischen Rede vom „ewigen Werden und Vergehen“, die profane Bestattungsredner in ihren Textbausteinen haben und gebetsmühlenartig wiederholen. Es gibt keinen ewigen Kreislauf des Lebens, der sich ständig wiederholt. Im Gegenteil: Jedem Anfang wohnt der Zauber des Neuen inne. Und jedes Ende besitzt die Qualität des Endgültigen. Das ist das Weltbild der Bibel, und dieses Weltbild entspricht eben auch unserer Lebenserfahrung und führt uns zu den drei Grundfragen unseres Menschseins: Woher komme ich? Wohin gehe ich? Wozu bin ich hier?

Philosophen aller Zeiten haben über diese Fragen nachgedacht. Theologen haben dicke Bücher darüber geschrieben. Das Interessante an diesen Grundfragen des Lebens aber ist, dass es keine allgemeinverbindlichen Antworten darauf gibt. Ein jeder muss seine eigenen Antworten finden, Antworten, die stimmig sind und der eigenen Lebensgestaltung ihren Sinn geben: Woher komme ich? Wohin gehe ich? Wozu bin ich hier?

In unserem Bibelwort zur Predigt erfahren wir, dass nicht alle Jünger Jesu tiefgläubige Menschen waren. Einige aber zweifelten. Sie waren unsicher geworden, was die Beantwortung ihrer Lebensfragen betrifft.

Woher komme ich? Wer unsicher ist, fragt: Gibt es diesen Gott, der alles Leben geschaffen hat?

Wohin gehe ich? Wer verzweifelt ist, fragt: Gibt es eine Zukunft jenseits des Todes?

Wozu bin ich hier? Viele fragen: Kümmert dieser Gott sich wirklich um mich, bin ich Gott wichtig, bin ich ein von Gott geliebter Mensch?

Einige aber zweifelten. Jedoch werden die Zweifelnden mit ihren Zweifel nicht ausgegrenzt. Zusammen mit den glaubenstreuen Jüngern haben sie ein und dieselbe Aufgabe, das Evangelium zu den Menschen zu bringen: Gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker, taufet und lehret.

Das Weltbild der Bibel ist nicht pessimistisch. Wie Gott am Anfang alles geschaffen hat – und siehe, es war sehr gut – so will es diese Welt und jedes Leben zu einem guten Ende führen. Gott hat einen Heilsplan und zu diesem Plan gehören Taufe und Lehre.

Hinter der Taufe verbirgt sich die Zusage Gottes, dass wir alle miteinander Gottes geliebte Geschöpfe sind und niemals aus seiner Hand fallen, nicht im Leben und nicht im Sterben.

Hinter der Lehre steckt der Auftrag, die Menschen zu befähigen ein Leben in Freiheit zu führen und in dieser Freiheit den Glauben an den Gott der Liebe zu finden.

Die Taliban in Afghanistan sagen, dass Frauen und Mädchen keine Bildung brauchen. Jesus hat uns den Auftrag gegeben, allen Menschen, allen Völkern die frohe Botschaft zu bringen, dass Gottes Liebe allen gleichermaßen gilt, Männern und Frauen, Alten und Jungen, Afghaninnen und Deutschen.

Wo Menschen ihren eigenen Ideen folgen oder von falschen Ideologien verführt werden, herrscht Gewalt und Unterdrückung. Freiheit und Selbstbestimmung kann es nur dort geben, wo wir dem Geist der Liebe Raum geben. Denn nur die Liebe hat die Kraft, Brücken zu bauen und uns über alle Unterschiede hinweg zur Gemeinschaft zu führen.

Vielleicht steht der wichtigste Satz in unserem Bibelwort ganz am Ende. Denn der Glaube sagt mir, dass wir nicht allein sind in der Weite des Raumes und der Zeiten. Wir sind keine Produkte des Zufalls, sondern Gottes geliebte Geschöpfe. Und: Wir sind nicht allein im Leben und im Sterben. Wir können der Zusage Jesu vertrauen, die bei jeder Taufe ausgesprochen wird: Siehe ich bin bei Euch alle Tage bis an der Welt Ende.

Gott hat die Weitergabe des Glaubens in unsere menschlichen Hände gelegt. Und wenn unsere Kinder und Enkel sehen, dass wir getrost und voller Freude sind, dann werden sie kommen und fragen, was uns so fröhlich macht. Auch Menschen anderer Völker und Religionen werden kommen und fragen nach der Liebe, die unsere Herzen erfüllt. So kann das Vertrauen auf die Liebe Gottes zu allen seinen Geschöpfen weiter wachsen und der Welt dereinst den Frieden bringen, auf den wir alle so sehr warten.

Der Pfarrer und Theologe Dietrich Bonhoeffer hat die Verheißung Jesu in einprägsame Worte gefasst. Er schreibt in seinem bekanntesten Lied und Gedicht: Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist mit uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag. Amen.

Ihr Pfarrer Rainer Janus