Wort zum Sonntag – 10. Mai 2020

Liebe Leserinnen und Leser,

wenn ich in den Jahren hier in Friesenheim etwas gelernt habe über die Menschen, die hier leben, dann das eine: Feiern können sie gut.

Ich erinnere mich an viele große und kleine Feste: Darunter 1400 Jahre Schuttern, 1250 Jahre Oberschopfheim, 950 Jahre Oberweier und 1000 Jahre Friesenheim und Heiligenzell. Ein Fest war schöner und gewaltiger als das andere.

Auch die Bibel berichtet im Alten Testament von einem gewaltigen Fest, nämlich von der Einweihung des Tempels zu Jerusalem. Im zweiten Buch der Chronik lesen wir: Da versammelte Salomo alle Ältesten Israels, alle Häupter der Stämme und die Fürsten der Sippen Israels in Jerusalem, damit sie die Lade des Bundes des HERRN hinaufbrächten aus der Stadt Davids, das ist Zion.

Und es versammelten sich beim König alle Männer Israels zum Fest, das im siebenten Monat gefeiert wird. Und es kamen alle Ältesten Israels, und die Leviten hoben die Lade auf und brachten sie hinauf samt der Stiftshütte und allem heiligen Gerät, das in der Stiftshütte war; es brachten sie hinauf die Priester und Leviten.

Und alle Leviten, die Sänger waren, nämlich Asaf, Heman und Jedutun und ihre Söhne und Brüder, angetan mit feiner Leinwand, standen östlich vom Altar mit Zimbeln, Psaltern und Harfen und bei ihnen hundertundzwanzig Priester, die mit Trompeten bliesen.

Und es war, als wäre es einer, der trompetete und sänge, als hörte man eine Stimme loben und danken dem HERRN. Und als sich die Stimme der Trompeten, Zimbeln und Saitenspiele erhob und man den HERRN lobte: »Er ist gütig, und seine Barmherzigkeit währt ewig«, da wurde das Haus des HERRN erfüllt mit einer Wolke, sodass die Priester nicht zum Dienst hinzutreten konnten wegen der Wolke; denn die Herrlichkeit des HERRN erfüllte das Haus Gottes. (2. Chr 5,2–5.12–14)

Der prächtige Festakt mit königlichem Glanz und Gloria wirft sofort die Frage auf: Braucht Gott diesen Tempel? Braucht dieser Gott ein Haus aus Stein?

Israel hatte diesen Gott in der Wüste kennengelernt als einen, der die Menschen auf ihrem Lebensweg begleitet: „… und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir!“

Die Götter der Völker hatten Tempel und Statuen. Der Gott Israels aber hatte ein Zelt mit einer Lade, in der die 10 AnGebote zum Leben aufbewahrt wurden - Leitlinien für ein gelingendes Leben mit Gott und den Mitmenschen.

Die Antwort ist klar: Der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs braucht kein Haus aus Stein. Und ebenso wenig der, der von sich selbst sagte: Die Füchse haben Gruben, und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber des Menschen Sohn hat nichts, da er sein Haupt hinlege. Der Gott der Liebe will in den Herzen der Menschen seine Wohnung finden.

Wenn dennoch Gotteshäuser gebaut, denkmalgepflegt und für die Zukunft erhalten werden, dann geschieht das um der Menschen willen. Gerade in der Zeit der sozialen Isolation spüren wir, wie uns das menschliche Miteinander fehlt. Und zu diesem Miteinander gehört eben auch das gemeinsame Feiern, die Musik und der Gesang – in den Familien, im Freundeskreis, in unseren Gottesdiensten.

Wir freuen uns, dass wir spätestens zu Pfingsten unsere Friesenheimer Kirche wieder für Gottesdienste nutzen können, auch wenn das unter den strengen Auflagen für Infektionsschutz geschehen muss. Aber für unseren Glauben brauchen wir kein Haus aus Stein. Der Glaube lebt aus dem Wort Gottes, das wir in vielfältiger Form hören und lesen können.

Martin Luther, der die Bibel in die deutsche Sprache übersetzt hat, damit jeder Gottes Wort lesen und mit nach Hause nehmen kann, wäre von den vielen Möglichkeiten begeistert gewesen, die uns das Fernsehen und das Internet heute bieten, wenn es darum geht, in der gebotenen Häuslichkeit, unseren Glauben zu leben – auch im persönlichen Gebet und in der Stille vor Gott.

Gott bleibt uns treu – gerade in Zeiten der Krise dürfen wir auf seine Wegbegleitung vertrauen.
Gott sei Dank!

Ihr Pfarrer Rainer Janus

 

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