Wort zum Sonntag – 07. März 2021

„Ihr seid Gottes Kinder. Kinder des Lichts. Dann lebt auch so!“

Wer die Bibel aufschlägt, wird früher oder später direkt angeredet. Hören wir, was die Bibel uns heute zu sagen hat:

So ahmt nun Gott nach als geliebte Kinder und wandelt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat und hat sich selbst für uns gegeben als Gabe und Opfer, Gott zu einem lieblichen Geruch.

Denn ihr wart früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht in dem Herrn. Wandelt als Kinder des Lichts; die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit. (Epheser 5, 1-2.8-9)

Gefährlich ist’s den Leu zu wecken, verderblich ist des Tigers Zahn; jedoch der schrecklichste der Schrecken, das ist der Mensch in seinem Wahn. Mit diesen Worten hat der Dichter Friedrich Schiller seine Sicht der Welt zu Papier gebracht. Und zahlreiche Schülerinnen und Schüler haben sein Lied von der Glocke in früheren Zeiten auswendig und inwendig gelernt.

Der Leu, der Löwe und der Tiger, das sind keine Schmusekätzchen. Raubtiere, Raubkatzen töten, um zu überleben. Das ist ihre Natur.

Was ist unsere Natur als Menschen? Was ist unsere Bestimmung? Was ist der Sinn und das Ziel unseres Lebens? Für Friedrich Schiller ist der Mensch der schrecklichste der Schrecken. Er tötet aus Neid und Eifersucht, aus Herrschsucht und aus Habgier.

Unsere Konfirmandinnen und Konfirmanden sind aktuell bei der Frage nach dem Sinn ihres Lebens und wollen wissen, was Gott und die Bibel dazu sagen. Die Jugendlichen treffen sich mittwochnachmittags digital im Internet zur Videokonferenz mit unserer Diakonin Tabea Kern. Und sie haben schon zwei Antworten gefunden.

Die erste Antwort gibt die Bibel schon auf den allerersten Seiten, wo von Gottes Schöpfung die Rede ist. Die Konfis lernen: Wir sind keine Zufallsprodukte. Zusammen mit Pflanzen und Tieren sind wir Gottes Geschöpfe, zum Leben bestimmt. Und wir Menschen sind von Gott als Ebenbilder geschaffen. Wir sollen Gott ähnlich werden in seiner Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit – und in seiner Liebe zu allen seinen Geschöpfen.

Das ist mehr als ressourcenschonender Umweltschutz, mehr als Fridays for future. Jeder Tag wird ein Tag für die Zukunft, wenn ich darauf vertrauen kann, dass wir nicht allein sind in der Weite des Raumes und der Zeiten.

Das ist die Zusage im Sakrament meiner Taufe, das Versprechen, das Jesus uns allen gegeben hat: Siehe ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende. Er ist der gute Hirte. Meine Zukunft, auch mein Ende, liegen in seinen guten Händen.

Die zweite Antwort haben unsere Konfis in der Bergpredigt Jesu gefunden. Jesus sagt: Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch! Das ist das Gesetz und die Propheten. Die Jugendlichen haben bereits ihre Erfahrungen mit der Verrohung im Internet und in den sozialen Medien. Es ist eine Verrohung der Sprache und der Werte. Mitmenschen werden niedergemacht, sie werden verspottet und beleidigt. Und sie können sich in der medialen Welt kaum dagegen wehren. Alles wird geteilt, wird an alle verbreitet. Jeder weiß, das ist nicht gut, aber es gibt genug, die sich hinreißen lassen, aus Neid oder Missgunst, andere zu dissen.

Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu. So wurde die goldene Regel aus der Bibel zu einem Sprichwort, das wirklich jeder begreifen kann. Es ist eine klare Maxime, an der sich mein Lebenswandel orientiert. Kant hat sie als kategorischen Imperativ formuliert und sie hat unsere Gesellschaft und unsere Ethik über Jahrhunderte mitgeprägt. Konfis können das lernen und mitnehmen auf ihren Lebensweg.

Heute gibt es die dritte Antwort aus der Feder des Apostels: Ahmt Gott nach, wandelt in der Liebe und lebt als Kinder des Lichts.

Die Bibel sagt, dass Gott gerade deshalb in Jesus Christus in die Welt gekommen ist, weil so viel im Argen liegt. Ich denke, Gott konnte und wollte dem schrecklichen Treiben der Menschen nicht mehr länger zusehen. Im Tod Christi am Kreuz hält Gott dem Menschen einen Spiegel vor Augen: Er zeigt uns, wozu Menschen fähig sind. Und er zeigt uns auch, dass der Mensch nicht so sein muss.

Das ist ja die Freiheit, die jeder Mensch hat. Er kann sich entscheiden: Licht oder Dunkelheit. Gut oder böse. Liebe zu den Mitgeschöpfen oder das Recht des vermeintlich Stärkeren.

Jesus Christus hat den Menschen gezeigt, dass es den Weg der Liebe gibt und dass die Liebe zum Nächsten die Bestimmung des Menschen ist und nicht der Hass.

Der Apostel geht in unserem heutigen Bibelwort noch einen Schritt weiter. Er sagt, wir sollen uns Gott zum Vorbild nehmen und ihn nachahmen. Das ist einmalig in der ganzen Bibel. Und es ist, glaube ich, auch nicht ganz einfach zu verstehen, wo der Vergleichspunkt ist.

Wie kann ein Mensch sich Gott zum Vorbild nehmen? Die römischen Kaiser lebten mit dem Anspruch, Götter zu sein, ihre Allmachtsphantasien aus. Und es haben sich im Lauf der Geschichte immer wieder Machtmenschen gefunden, die ihnen an Menschenverachtung und Grausamkeit nichts nachstanden.

Aber es geht nicht um die Allmacht Gottes, sondern es geht um die Liebe Gottes. Und es geht darum, dass Gott in seiner Liebe so weit geht, dass er Mensch wird. An anderer Stelle heißt es: Gott entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt. Der Schöpfer des Lebens, der den Menschen nach seinem Bilde geschaffen hat, der zeigt den Menschen in Jesus Christus, wie sie sein sollen, welche Bestimmung sie haben oder ganz einfach ausgedrückt: Er zeigt den Menschen, was ihnen gut tut.

Wir sollen uns Gott zum Vorbild nehmen und wie Jesus Christus in der Liebe leben. Dem Apostel geht es dabei um unser konkretes Verhalten im Alltag. Die größte und wichtigste Tat hat der Liebe Christus selbst vollbracht mit seinem Leiden und Sterben auf Golgatha. Nun kommt es auf die Liebe an, die in unseren Herzen wohnt.

Deshalb, sagt die Bibel, folgt Gottes Beispiel und lebt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat und hat sich selbst für uns gegeben. Das ist der Machtwechsel auf Golgatha. Wo Macht und Gewalt zu triumphieren scheinen, wurden die zerstörerischen Mächte entmachtet und überwunden, gewaltlos und durch Hingabe. Aus nichts als aus Liebe. Damit Menschen frei werden.

Der Anspruch, Gott nachzuahmen, ist hoch. Aber geht es wirklich anspruchsloser?

Der Apostel sagt: Ihr seid Kinder des Lichts. Ihr seid Gottes geliebte Kinder. Ihr habt ein Erbteil im Reich Christi und Gottes. Und ihr seid deshalb berufen, Gott nachzuahmen. Gebt auf die alltägliche Selbstsucht die nicht alltägliche Antwort der Liebe.

Jeder soll an seiner Stelle sich bewähren aber dabei nicht vergessen, dass wir nicht Jesus Christus selbst sind, erst recht nicht Gott selbst. Sondern wir ahmen nur nach, folgen nur dem Beispiel mit unseren nur menschlichen Kräften und mit unseren menschlichen Unzulänglichkeiten und Fehlern.

Gott traut uns trotzdem zu, als fehlerhafte Menschen, nach seinem Vorbild unser Leben zu gestalten. Er sieht uns mit Augen der Liebe an.

Dieses Zutrauen, das Gott zu uns hat, das könnte die erste Gegenmacht gegen jene bösen Mächte sein, die den Alltag und die Welt und auch unser Leben beherrschen wollen. Oder mit unserem heutigen Bibelwort gesprochen: Denn ihr wart früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht in dem Herrn. Wandelt als Kinder des Lichts! Gott traut es Euch zu. Amen.

Ihr Pfarrer Rainer Janus