Wort zum Sonntag – 07. Februar 2021

Der Evangelist Lukas berichtet: Als nun eine große Menge beieinander war und sie aus jeder Stadt zu ihm eilten, sprach er durch ein Gleichnis:

Es ging ein Sämann aus zu säen seinen Samen. Und indem er säte, fiel einiges an den Weg und wurde zertreten, und die Vögel unter dem Himmel fraßen's auf.

Und anderes fiel auf den Fels; und als es aufging, verdorrte es, weil es keine Feuchtigkeit hatte. Und anderes fiel mitten unter die Dornen; und die Dornen gingen mit auf und erstickten's. Und anderes fiel auf das gute Land; und es ging auf und trug hundertfach Frucht.

Da er das sagte, rief er: Wer Ohren hat zu hören, der höre! Es fragten ihn aber seine Jünger, was dies Gleichnis bedeute. Er aber sprach: Euch ist's gegeben, zu wissen die Geheimnisse des Reiches Gottes, den andern aber ist's gegeben in Gleichnissen, dass sie es sehen und doch nicht sehen und hören und nicht verstehen.

Das ist aber das Gleichnis: Der Same ist das Wort Gottes. Die aber an dem Weg, das sind die, die es hören; danach kommt der Teufel und nimmt das Wort von ihrem Herzen, damit sie nicht glauben und selig werden. Die aber auf dem Fels sind die: Wenn sie es hören, nehmen sie das Wort mit Freuden an. Sie haben aber keine Wurzel; eine Zeit lang glauben sie, und zu der Zeit der Anfechtung fallen sie ab. Was aber unter die Dornen fiel, sind die, die es hören und gehen hin und ersticken unter den Sorgen, dem Reichtum und den Freuden des Lebens und bringen keine Frucht zur Reife. Das aber auf dem guten Land sind die, die das Wort hören und behalten in einem feinen, guten Herzen und bringen Frucht in Geduld. (Lukas 8, 4-15)

Wir pflügen, und wir streuen den Samen auf das Land, doch Wachstum und Gedeihen steht in des Himmels Hand. So heißt mit Blick auf Säen und Ernten im Lied von Matthias Claudius. Und vielleicht waren frühere Generationen noch stärker als wir heute eingebunden in den Lauf der Natur und abhängig vom Ertrag landwirtschaftlicher Erzeugnisse. Aber auch heute erleben wir, wie weltweit Wetterextreme zu Ernteausfällen und Hungerkatastrophen führen. Säen und Ernten hält Leib und Seele zusammen, weil es ganz einfach die Voraussetzung dafür ist, dass wir Tag für Tag etwas zu essen und zu trinken haben.

Jesus spricht in seinem Gleichnis davon, dass drei Viertel des Saatguts verloren gehen. Ich denke, das hat die Zuhörer Jesu irritiert. Denn das kann sich kein Sämann leisten. Schon gar nicht, wenn die kargen Böden ohnehin nicht viel hergeben.

In Israel gibt es eine Geschichte, die stets mit einem Schmunzeln erzählt wird: Danach waren am Ende der Schöpfung noch so viele Steine übrig wie zwei gewaltige Engel tragen konnten. Der eine Engel nahm seine Last und verteilte seine Steine eifrig über alle Erdteile und Länder in der ganzen Welt. Der andere Engel verteilte alles, was er hatte, allein in Gottes gelobtem Land.

Natürlich gibt es im Ackerland manchmal mehr als genug Steine. Aber auch damals verstanden die Landwirte ihr Handwerk und verwandelten karge Böden in fruchtbares Ackerland. Zweimal im Jahr wurde geerntet und zweimal im Jahr konnten die Menschen erleben, wie die Arbeit des Sämann hundertfach Frucht erbrachte. Kein Wunder also, dass die Zuhörer nachfragten und erst im Nachdenken über das Gelingen und Scheitern von Saat und Ernte wird das Gleichnis vom Sämann zu einem Gleichnis vom Gelingen und Scheitern in unserem eigenen Leben.

Jesus hat dieses Gleichnis auf dem Höhepunkt seiner Wirksamkeit erzählt: Frauen und Männer, Jugendliche und Ältere, kamen in Scharen, sein Wort zu hören. So, wie ein Sämann Samen ausbringt, hat er die frohe Botschaft von der Liebe Gottes verkündigt. Und so, wie jeder, der Samen ausbringt, hoffte auch er auf Ertrag. Die frohe Botschaft sollte in dem Herzen der Zuhörer aufgehen und die Frucht der Liebe wirken. Aber auch damals gab es Menschen, die ihr Herz verschlossen haben und nichts wissen wollten von der Gottes Liebe, die die Kraft hätte Gutes hervorzubringen.

Der Apostel Paulus schreibt im Galaterbrief: Was der Mensch sät, das wird er ernten. Wer den Geist der Liebe sät, wird den Geist der Liebe ernten, und nur wer Gutes sät wird Gutes ernten.

Aber Jesus sagt: So einfach und so geradlinig ist es leider nicht im Leben. Wir alle wollen das Gute, und dennoch geschieht Böses. Wir alle wollen Gerechtigkeit und Frieden, und dennoch triumphieren Ungerechtigkeit und Unfrieden. Wir alle sehnen uns nach Liebe und leiden unter Lieblosigkeit.

Jesus ist kein frommer Schwärmer. Er beschönigt nichts. Er sieht das Leben mit all seinen Schwierigkeiten. Da wird nichts davon verdrängt. Nichts soll irgendwie verklärt werden. Enttäuschung, Trauer und Verzweiflung dürfen Worte finden. Mutlosigkeit darf auf Gehör hoffen. Jesus wendet seinen Blick nicht ab von dem, was im Leben zertreten wird und was uns erstickt. Und gerade, weil er all das sieht und weiß, erzählt er von dieser Arbeit des Sämanns. Und er erzählt - zwischen den Zeilen - von der schweren Zeit des Wartens auf Wachstum oder Vergehen.

Aber die negativen Einflüsse auf unser Leben sind ja nur die eine Seite. Aus den schwersten Belastungen heraus kann Gutes wachsen. Und deshalb lässt Jesus die andere Seite nicht unerwähnt. Es entspricht der Realität unseres Lebens, dass Arbeit und Bemühen sich zuweilen auch lohnen, dass die Erde gut ist und der Same Frucht bringt, um mit dem Bild unseres Gleichnisses zu reden. Und um das zu sehen, braucht es keinen Wunderglauben: Ein Blick in Gottes Schöpfung und das Übermaß von Leben und Wachstum, das die Natur immer wieder neu hervorbringt, genügt vollkommen.

Nun wird vielleicht jemand kommen und sagen: Welche Chancen hat Gottes Wort in einer Welt, in der nach wie vor die Waffen den Ton angeben? Welche Chance hat Gottes Wort in einer Welt, in der der Geld und Gewinn wichtiger sind als Vernunft und Menschlichkeit? Welche Chance hat die Liebe in einer Welt, in der ein jeder seinen eigenen Vorteil sucht?

Aber aller Widrigkeiten zum Trotz ist Gottes Wort lebendig geblieben in den Herzen der Menschen bis auf den heutigen Tag. Menschen versammeln sich zum Gottesdienst, auch unter den schwierigen Umständen der Corona Pandemie. Und das Wort Gottes wird Früchte tragen, so wie es einst der Prophet Jesaja verheißen hat. So spricht der Herr: Gleichwie der Regen und Schnee vom Himmel fällt und nicht wieder dahin zurückkehrt, sondern feuchtet die Erde und macht sie fruchtbar und lässt wachsen, dass sie gibt Samen, zu säen, und Brot, zu essen, so soll das Wort, das aus meinem Munde geht, auch sein: Es wird nicht wieder leer zu mir zurückkommen, sondern wird tun, was mir gefällt, und ihm wird gelingen, wozu ich es sende.

Wer sein Herz öffnet für Gottes Wort, wer es in sich keimen und wachsen lässt, der wird erleben, wie dieses Wort Tag für Tag, Jahr für Jahr hundertfach Früchte trägt, die Früchte der Liebe Gottes: das, was wir Menschen für unser Leben so nötig brauchen: Verständnis füreinander, Geduld, Versöhnung und Frieden - heute und alle Tage unseres Lebens, bis in Ewigkeit. Amen.

Pfarrer Rainer Janus