Wort zum Sonntag – 01. August 2021

Es gibt Reden, die die Welt bewegen und die immer wieder neu gehört, gelesen und zitiert werden. Aber mit dem Zuhören ist das so eine Sache.

Zum Abschluss seiner berühmten Bergpredigt fordert Jesus seine Zuhörer auf, das Gehörte nun auch in die Tat umzusetzen. Und er vergleicht den, der das tut, mit einem Menschen, der sein Haus auf ein solides Fundament gebaut hat.

Im Evangelium nach Matthäus heißt es:

Jesus spricht: Darum, wer diese meine Rede hört und tut sie, der gleicht einem klugen Mann, der sein Haus auf Fels baute. Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, fiel es doch nicht ein; denn es war auf Fels gegründet.

Und wer diese meine Rede hört und tut sie nicht, der gleicht einem törichten Mann, der sein Haus auf Sand baute. Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, da fiel es ein, und sein Fall war groß. (Matthäus 7, 24-27)

Wir denken unwillkürlich an Ahrweiler und zahlreiche andere Ortschaften in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen, wenn wir vom Platzregen hören und vom Wasser, das Häuser zum Einsturz bringt. Vielleicht erschließt sich durch die Schreckensbilder der Zerstörung etwas von der Dringlichkeit dessen, was Jesus uns zur Lebensführung zu sagen hat.

Vieles von dem, was wir Menschen hören, geht buchstäblich zum einen Ohr rein und zum anderen gleich wieder raus. Oft weiß man schon nach einer Minute nicht mehr, was der Sprecher im Radio gerade angesagt hat. Nur dann, wenn die Sache einem wichtig ist, hört man gewöhnlich genauer hin. Wahrscheinlich war das bei den Zuhörern Jesu damals schon so. Es wird unter den Zuhörern manche gegeben haben, für die Jesu Worte außergewöhnlich wichtig waren. Für andere war seine Predigt aber offenbar nur am Rande interessant. Manche werden sehr genau hingehört haben. Und sie waren mitgerissen, und diese Worte haben ihr Leben von Grund auf verändert. Andere waren offenbar mit den Gedanken gar nicht dabei oder mit scheinbar wichtigeren Dingen beschäftigt.

Es gibt Menschen, denen Gottes Wort wichtig ist, die ihr Leben nach der Bibel ausrichten und versuchen als Christen in dieser Welt zu leben. Und es gibt auf der anderen Seite Menschen, denen eben anderes wichtiger ist. Dazwischen steht die Entscheidung: Wo will ich eigentlich dazugehören? Welche Ausrichtung soll mein Leben bekommen? Welche Bedeutung hat Gott und sein Wort für mein Leben?

Nun mag jemand einwenden und sagen: Halt! So einfach ist das ja nun gar nicht: Das Leben nach der Bibel ausrichten. Und gerade das, was Jesus in der Bergpredigt sagt, dürfte gar nicht so leicht in die Tat umzusetzen zu sein. Die andere Backe hinhalten, sogar die Feinde lieben; sich keine Sorgen machen um Kleidung und Ernährung, sondern zuerst nach Gottes Reich trachten und nach seiner Gerechtigkeit. Wer kann das alles schon? Damit ist eine Frage aufgeworfen, die im Zusammenhang mit der Bergpredigt seit Jahrhunderten immer wieder gestellt worden ist: Können wir Menschen diese radikale Liebe Jesu bis hin zur Feindesliebe in unserem Leben umsetzen?

Es gibt herausragende Menschen wie Mahatma Ghandi oder Martin Luther King, die den Weg der Gewaltlosigkeit konsequent gegangen sind. Zahllose andere sind gescheitert. Vielleicht ist in diesem Zusammenhang eine Erfahrung wichtig, die Menschen immer wieder machen, dass es nämlich beim Tun des Wortes sehr auf das Hören ankommt. Denn das Hören auf Gottes Wort stärkt unser Vertrauen auf Gott. Und dieses Vertrauen gibt uns Mut und Kraft, uns in Liebe denen zuzuwenden, die uns als Schwestern und Brüder anvertraut sind.

Die Bergpredigt, und damit die ganze Botschaft Jesu lässt sich in zwei Kernsätze zusammenfassen. Wer diese beiden Sätze hört und berücksichtig in seinem Leben, der hat damit ein tragfähiges Fundament: Der erste Satz lautet: Ihr könnt euch ganz und gar Gott als eurem guten Vater im Himmel anvertrauen. Der zweite Satz lautet: Ihr seid einander von Gott als Schwestern und Brüder anvertraut. Und die Frage für unser Leben heißt dann: Wollen wir in Gott unseren Vater im Himmel sehen lernen und in einem jedem unserer Mitmenschen eine Schwester oder einen Bruder entdecken?

Ich denke, es gehört zu den Erscheinungen unserer heutigen Zeit, dass diese Lebensfrage nicht mehr von allen gleichermaßen klar beantwortet wird. Nicht heiß und nicht kalt, sondern lauwarm. Man schiebt die Antwort vor sich her und verdrängt sie. An die Stelle eines entschiedenen Glaubens an Gott tritt vielfach so eine diffuse Religiosität nach dem Motto: Irgendetwas wird es nach dem Tod schon geben. Aber dieses „irgendetwas“ hat keinerlei Einfluss auf die Lebensführung und die Lebensperspektiven. So etwas wie Gott mag es vielleicht schon geben - aber er hat keine Bedeutung für mein Leben; jedenfalls jetzt noch nicht, das hat noch Zeit, das kann warten, bis ich einmal alt und betagt bin.

Und genau hier setzt Jesus seinen Vergleich mit dem Hausbau an. Und ich denke, die Zuhörer damals haben genau verstanden, was er damit sagen wollte: Fast hat man ja schon ein wenig Mitleid mit dem, der so dumm war, sein Haus nicht so fest zu bauen, dass es der Unbill des Wetter standhält. So unklug wird ja wohl auch niemand sein: Ein einigermaßen vernünftiger Bauherr zieht einen sachverständigen Architekten und einen Statiker heran - und wenn es sein muss auch noch einen Geologen dazu - und baut so, dass sein Haus auf sicheren Fundamenten steht. Was aber beim Hausbau ganz selbstverständlich ist, das ist im Leben offenbar gar nicht so selbstverständlich. Leben kann jeder wie er will. Ob jemand eine solide Grundlage für sein Leben hat, wird selten gefragt.

Aber auch im Leben gibt es Stürme und Krisen, die nur der bewältigt, der so klug ist, sein Leben nicht auf Sand zu bauen, sondern auf Fels. Es kann ein äußerlich sehr großzügig angelegtes Lebenshaus sein, angenehm anzuschauen, das sich einer baut. Der andere führt ein eher bescheidenes Leben. Darauf kommt es nicht an. Das Fundament muss fest sein, wenn der Sturm losbricht, es muss sich in den Krisen des Lebens bewähren. Darauf kommt es an. Und wir können nicht erst anfangen, ein Fundament zu bauen, wenn der Sturm schon tobt. Dann ist es zu spät.

Dem Haus, das auf Fels gebaut ist, bleibt das alles ja nicht erspart. Aber wer auf der Grundlage des Vertrauens zu Gott, auf der Grundlage von Gottes Wort und Gebet sein Leben aufbaut, der wird in guten wie in schweren Zeiten erfahren, wie diese Lebensgrundlage ihn trägt.

Auch unser Leben gewinnt mit dem Hören auf Gottes Wort ein solides Fundament, dass wir uns zu allen Zeiten in Gottes Händen geborgen wissen. Wir können nicht voraussagen, was das Leben uns bringen wird: Krankheit oder Gesundheit, Krieg oder Frieden, ein hohes Alter oder einen frühen Tod. Aber in all dem dürfen wir darauf vertrauen, dass Gott zu dem steht, was er uns bei der Taufe zugesagt hat. Siehe ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende. Wer auf diese Zusage sein Leben baut, der hat nicht auf Sand gebaut. Amen.

Ihr Pfarrer Rainer Janus