Wort zum Pfingstsonntag – 31. Mai 2020

Liebe Leserinnen und Leser,

der Evangelist Lukas berichtet in der Apostelgeschichte vom Pfingstwunder:
Und als der Pfingsttag gekommen war, waren sie alle an einem Ort beieinander. Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Wind und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. Und es erschienen ihnen Zungen zerteilt, wie von Feuer; und er setzte sich auf einen jeden von ihnen, und sie wurden alle erfüllt von dem heiligen Geist und fingen an, zu predigen in andern Sprachen, wie der Geist ihnen gab auszusprechen.

Es wohnten aber in Jerusalem Juden, die waren gottesfürchtige Männer aus allen Völkern unter dem Himmel. Als nun dieses Brausen geschah, kam die Menge zusammen und wurde bestürzt; denn ein jeder hörte sie in seiner eigenen Sprache reden. Sie entsetzten sich aber, verwunderten sich und sprachen: Siehe, sind nicht diese alle, die da reden, aus Galiläa? Wie hören wir denn jeder seine eigene Muttersprache? Parther und Meder und Elamiter und die wir wohnen in Mesopotamien und Judäa, Kappadozien, Pontus und der Provinz Asien, Phrygien und Pamphylien, Ägypten und der Gegend von Kyrene in Libyen und Einwanderer aus Rom, Juden und Judengenossen, Kreter und Araber: wir hören sie in unsern Sprachen von den großen Taten Gottes reden.

Sie entsetzten sich aber alle und wurden ratlos und sprachen einer zu dem andern: Was will das werden? Andere aber hatten ihren Spott und sprachen: Sie sind voll von süßem Wein.

Da trat Petrus auf mit den Elf, erhob seine Stimme und redete zu ihnen: Ihr Juden, liebe Männer, und alle, die ihr in Jerusalem wohnt, das sei euch kundgetan, und lasst meine Worte zu euren Ohren eingehen! Denn diese sind nicht betrunken, wie ihr meint, ist es doch erst die dritte Stunde am Tage; sondern das ist's, was durch den Propheten Joel gesagt worden ist: „Und es soll geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott, da will ich ausgießen von meinem Geist auf alles Fleisch; und eure Söhne und eure Töchter sollen weissagen, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen, und eure Alten sollen Träume haben; und auf meine Knechte und auf meine Mägde will ich in jenen Tagen von meinem Geist ausgießen, und sie sollen weissagen.“

Unser Wort "Pfingsten" kommt von dem griechischen Wort "Pentekoste" und hat zunächst einmal gar nichts mit dem Heiligen Geist zu tun. Denn mit Pentekoste bezeichnete man in Israel das Schawuot, das 7 Wochenfest, das Fest der ersten Ernte im Jahr. Genau 7 Wochen und ein Tag nach dem Passahfest zogen die Pilger erneut nach Jerusalem, um fröhlich und ausgelassen zu feiern.

In einer Beschreibung des Festes heißt es: Für wenige Tage waren die Schranken, die es nun mal in der Gesellschaft gab, außer Kraft gesetzt. Alle zusammen sollten fröhlich sein dürfen. Auch die Armen, die Witwen und Waisen, waren an diesem Tage in die Feierlichkeiten einbezogen. Zu diesem Fest kamen alle nach Jerusalem, die es irgendwie konnten. Die jüdischen Männer waren verpflichtet, in den Tempel zu gehen und deshalb kamen sie auch aus aller Herren Länder in die Stadt.

Jüdische Händler hatten sich in den verschiedensten Gegenden der damaligen Welt niedergelassen. Mesopotamien und Kappadozien, Phrygien und Pamphylien. Sie lebten in der Fremde, aber im Herzen waren sie Juden geblieben und einmal im Jahr musste man nach Jerusalem. "Nächstes Jahr in Jerusalem", so klang es vielleicht damals schon rund um das Mittelmeer überall, wo es jüdische Diasporagemeinden gab. Zum Fest "Pentekoste" machte man sich auf den weiten Weg, auch um Freunde und Familienangehörige wiederzusehen und zu hören, was es Neues zu berichten gab.

Zur Verständigung mussten Sprachgrenzen überwunden werden, aber die Stimmung war freudig und ausgelassen. Nach dem geforderten Tempelbesuch trifft man sich in den Häusern und feiert gemeinsam im Familien und im Freundeskreis.

"Alle waren an einem Ort beieinander", erzählt Lukas. Auch die Jünger und Anhänger Jesu waren zum Fest versammelt. Allerdings war ihre Stimmung noch immer von Abschied und Ängstlichkeit geprägt. Die Trauer um den Gekreuzigten und der Abschiedsschmerz waren noch nicht gewichen. Da geschah das, was wir das Pfingstwunder nennen.

„Und es erschienen ihnen Zungen zerteilt wie von Feuer.“ Aber die Flammen auf den Köpfen und das Brausen des Windes sind nur ein Bild, ein Symbol für die Begeisterung, die die Herzen der Jüngerinnen und Jünger damals ergriffen und erfüllt hat: Die Trauer darf uns nicht länger in ihrem Bann halten. Depression und Resignation müssen weichen.

Das eigentliche Pfingstwunder liegt darin, dass diese traurigen und verängstigten Jüngerinnen und Jünger begannen, das Evangelium von der Liebe Gottes zu verkündigen, und zwar so, dass es alle Menschen in ihrer Sprache hören und verstehen konnten.

Dieses Pfingstwunder hat vor zwei Jahrtausenden begonnen. Es hat in der Kirche zu allen Zeiten auch Rückschläge erlitten, wo Menschen von Macht besessen waren und lieblos gehandelt haben. Aber dieses Wunder von damals ist noch nicht an ein Ende gekommen, denn der Geist der Liebe wirkt weiter und bis heute wird Jesus Christus für viele Menschen zum Vorbild, ihr Leben in konkreter Nächstenliebe zu gestalten.

Die Regeln zum Infektionsschutz in Corona Zeiten engen unsere Freiheit ein. Aber gleichzeitig sind und bleiben die Einschränkungen der Sozialkontakte auch Herausforderungen für die Liebe zu unseren Mitmenschen. Corona hat unendlich viel Leid und Tod über unsere Welt gebracht. Aber sie eröffnet Tag für Tag neue Chancen für Achtsamkeit, Mitmenschlichkeit und Zuwendung.

Der christliche Glaube bleibt kein Lippenbekenntnis, wenn wir uns vom Geist der Liebe Gottes bewegen und begeistern lassen. Die Sprache der Liebe wird über alle Grenzen von Kultur und Religion hinaus, von allen und jedem verstanden. Dieses Wunder der Liebe kann ein jeder von uns jeden Tag neu erleben. Amen.

Ihr Pfarrer Rainer Janus

 

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