Wort zum Ostermontag

Im Buch des Propheten Jona lesen wir:

Aber der HERR ließ einen großen Fisch kommen, Jona zu verschlingen. Und Jona war im Leibe des Fisches drei Tage und drei Nächte.

Und Jona betete zu dem HERRN, seinem Gott, im Leibe des Fisches und sprach: Ich rief zu dem HERRN in meiner Angst, und er antwortete mir. Ich schrie aus dem Rachen des Todes, und du hörtest meine Stimme.

Du warfst mich in die Tiefe, mitten ins Meer, dass die Fluten mich umgaben. Alle deine Wogen und Wellen gingen über mich, dass ich dachte, ich wäre von deinen Augen verstoßen, ich würde deinen heiligen Tempel nicht mehr sehen. Wasser umgaben mich bis an die Kehle, die Tiefe umringte mich, Schilf bedeckte mein Haupt. Ich sank hinunter zu der Berge Gründen, der Erde Riegel schlossen sich hinter mir ewiglich.

Aber du hast mein Leben aus dem Verderben geführt, HERR, mein Gott! Als meine Seele in mir verzagte, gedachte ich an den HERRN, und mein Gebet kam zu dir in deinen heiligen Tempel. Die sich halten an das Nichtige, verlassen ihre Gnade. Ich aber will mit Dank dir Opfer bringen. Meine Gelübde will ich erfüllen. Hilfe ist bei dem HERRN. (Jona 2, 1-10)

Der Prophet Jona gehört zu den bekanntesten literarischen Personen des Alten Testaments. Seine Geschichte beschäftigte immer wieder neu die Gedanken der Menschen. Tausendfach gemalt und als Musical vertont hat seine Geschichte Menschen immer wieder zum Nachdenken gebracht. Und von alters her war seine Geschichte verbunden mit Jesu Tod und Auferstehung am dritten Tag.

Eigentlich sollte der Prophet nach Ninive. Mache dich auf und geh in die große Stadt Ninive und predige wider sie. So lautet der Auftrag Gottes gemäß dem Motto: Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er in die weite Welt. Aber Jona denkt: Es ist zum Davonlaufen. Er macht sich lieber aus dem Staub. Jona flieht vor Gott.

Um die Naturgewalt der Wellen und des Sturmes zu besänftigen, wird Jona von den Schiffsleuten in die Tiefen des Meeres, in den Tod gestürzt. Aber Jona bleibt nicht im Tod. Gott hält seine schützende Hand über ihn. Drei Tage und drei Nächte bleibt er gefangen im Leib des Fisches. Dann aber wird er ausgespuckt, neugeboren, sein Gelübde zu erfüllen: die Menschen in Ninive zur Umkehr rufen – und Ninive ist überall.

Gottes Auftrag an Jona lautet: Jona, geh dahin, wo Korruption herrscht. Geh dahin, wo Geld wichtiger ist als Gerechtigkeit, wo die Macht über Leichen geht. Geh zu denen, die krumme Geschäfte machen auf Kosten der Armen und auf Kosten der Umwelt. Geh dahin, wo Kriege geschürt und die Waffen dazu geschmiedet werden. Geh nach Ninive, wo Schleuserbanden und Mafiosi das Sagen haben, und predige den Menschen, dass sie das Böse lassen und das Gute suchen. Sag ihnen, dass sie umkehren, um der Zukunft willen, bevor es endgültig zu spät ist.

Ninive ist überall. Ninive ist auch da, wo Menschen einander zu Leid leben. Ninive ist da, wo Streit Familien und Nachbarn trennt. Ninive ist da, wo einer nur seinen eigenen Vorteil sucht und von der Not seiner Mitmenschen nichts wissen will. Ninive ist da, wo Fremdenhass und Antisemitismus kultiviert wird. Ninive ist da, wo Missbrauch vertuscht und Straftäter geschützt werden.

Manchmal fehlt es auch uns an Mut. Manchmal sagen auch wir: Es ist zum Davonlaufen. Manchmal werfen wir die Flinte ins Korn, und machen uns aus dem Staub. Manchmal sehen wir lieber weg und schweigen, wo Widerspruch wichtig wäre. Jeder hat sein eigenes, ganz persönliches Ninive – aber die Erfahrung zeigt, dass Davonlaufen nicht hilft. Was wir verdrängen, begleitet uns weiter, belastet unser Gewissen und holt uns immer wieder ein.

Im Psalm 139 heißt es: Nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äußersten Meer, so würde auch dort deine Hand mich führen und deine Rechte mich halten. Jona wusste wohl, dass seine Flucht vergeblich sein würde. Trotzdem will er sich wegducken, sich verstecken im Rumpf eines Schiffes. Unser menschliches und manchmal allzu menschliches Denken birgt Irrationalitäten. Manchmal tun wir genau das, was wir lassen sollten. Manchmal verirren und verrennen wir uns in eine fixe Idee. Manchmal widerstreiten die Gefühle. Manchmal fehlt der Mut, das zu tun, was wir als richtig und zielführend erkannt haben.

Wie kommen wir auf den Boden der Tatsachen zurück? Wie finden wir zur Umkehr. Was hilft uns, die Herausforderungen des Lebens anzunehmen, uns den Herausforderungen zu stellen? Jona fliegt zunächst einmal über Bord. Und das unfreiwillige Bad wird ihn sicherlich ernüchtert haben. Aber in den Wellen und im Salzwasser hat Jona nicht den Mut zur Umkehr gefunden.

Jona braucht drei Tage, um seinen Lebensauftrag anzunehmen. Er braucht eine Zeit des Rufens, eine Zeit der Klage, eine Zeit des Hörens. Er muss erleben, dass Gott im Leben und im Sterben sein Freund und Begleiter bleibt. Jona betet: Ich rief zu dem HERRN in meiner Angst, und er antwortete mir. Ich schrie aus dem Rachen des Todes, und du hörtest meine Stimme. Der Bauch des Fisches wird zu einem Ort, der Geborgenheit vermittelt. Jona findet zur Stille. Er findet zum Gebet.

Es gibt viele Menschen, die solche Räume der Stille, Orte der Geborgenheit suchen. Manche gehen in eine geöffnete Kirche, um zu beten, weil die Räume des Alltags keine Konzentration zulassen. Aber es wird immer schwerer, in diesen Zeiten Ruhe zu finden und klare Gedanken zu fassen. Jona kann noch beten, zu Gott rufen und schreien. Und er lernt von Neuem auf Gottes Wort und Willen zu hören: Jona, mache dich auf und geh in die große Stadt Ninive und predige wider sie.

An Land gespuckt begibt er sich auf direktem Weg nach Ninive. Und wir kennen den Ausgang der Geschichte: Der Erfolg von Jonas Predigt ist überwältigend. Ninive ist nicht wiederzuerkennen. Die Menschen bereuen ihre Bosheit. Sie lassen das Böse und finden zum Guten. Die Habgier ist vergessen, stattdessen hält die Nächstenliebe Einzug. Die Wahrheit hilft den Schmerz der Opfer zu stillen. Versöhnung und Vergebung führen zum Frieden. Gott freut sich - und Jona ist enttäuscht, weil Gott Gnade vor Recht ergehen lässt. Jona muss erst lernen, sich am Glück der anderen mitzufreuen.

Gott denkt nicht: Es ist zum Davonlaufen. Er hat uns im Sakrament der Taufe versprochen: Siehe ich bin bei Euch alle Tage bis an das Ende der Welt. Er will, dass wir den Auftrag für unser Leben finden und dass wir aus Stille, Gebet und Hören auf sein Wort, auch den Mut und die Kraft erhalten unseren Weg nach Ninive zu gehen. Und auch da, wo wir uns verrennen, will er mit seiner Liebe und Barmherzigkeit unser Freund und Retter sein.

So wie einst Jona das Licht der Sonne wiedersehen durfte, so dürfen auch wir im Lichte der Auferstehung und des Ostermorgens auf unser neues und ewiges Leben hoffen. Der Schöpfer allen Lebens wird uns nicht dem immerwährenden Tod überlassen. Der Weg unseres Lebens ist ein Heimweg durch die Zeit in die Ewigkeit. Amen.

Ihr Pfarrer Rainer Janus