Wort zum Osterfest – 12. und 13. April 2020

Liebe Leserinnen und Leser,


der Sonnenschein in diesen Feiertagen erinnert an den Osterspaziergang in Goethes Faust: „Vom Eise befreit sind Strom und Bäche durch des Frühlings holden, belebenden Blick.“
Goethe spricht von einem bunten Gewimmel und Getümmel und beschreibt, wie mit dem Erwachen der Natur auch die Menschen aufblühen zu neuer Lebensfreude.

Zum Schutz vor der Infektion durch das Coronavirus und zur Eindämmung seiner ungezügelten Ausbreitung müssen wir unsere Sozialkontakte einschränken. Und das schränkt trotz Frühjahrssonne auch unsere Lebensfreude erheblich ein.

Vielleicht können wir in diesen Tagen sehr gut nachempfinden, was Maria Magdalena am Ostermorgen erlebt. Als sie den Auferstandenen erkennt, will sie ihn umarmen, ihn festhalten. Sie ist hin und hergerissen von ihren Gefühlen: die Trauer des Abschieds schlägt um in unglaubliche Lebensfreude.

So berichtet es Johannes in seinem Evangelium: Maria aber stand draußen vor dem Grab und weinte. Als sie nun weinte, beugte sie sich in das Grab hinein und sieht zwei Engel in weißen Gewändern sitzen, einen zu Häupten und den andern zu den Füßen, wo der Leichnam Jesu gelegen hatte. Und die sprachen zu ihr: Frau, was weinst du? Sie spricht zu ihnen: Sie haben meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wo sie ihn hingelegt haben.
Und als sie das sagte, wandte sie sich um und sieht Jesus stehen und weiß nicht, dass es Jesus ist. Spricht Jesus zu ihr: Frau, was weinst du? Wen suchst du? Sie meint, es sei der Gärtner, und spricht zu ihm: Herr, hast du ihn weggetragen, so sage mir: Wo hast du ihn hingelegt? Dann will ich ihn holen. Spricht Jesus zu ihr: Maria! Da wandte sie sich um und spricht zu ihm auf Hebräisch: Rabbuni!, das heißt: Meister! Spricht Jesus zu ihr: Rühre mich nicht an! Denn ich bin noch nicht aufgefahren zum Vater. Geh aber hin zu meinen Brüdern und sage ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott. Maria Magdalena geht und verkündigt den Jüngern: »Ich habe den Herrn gesehen«, und was er zu ihr gesagt habe. (Joh 20, 11-18)

„Zum Augenblicke dürft’ ich sagen: Verweile doch, du bist so schön!“, heißt es bei Goethe. Maria Magdalena möchte das Glück dieses Augenblicks festhalten. Jesus lebt! Alles sollte wieder so sein, wie es vorher war, vor diesem grausigen Tod und Abschied.

Aber Jesus entzieht sich. „Rühre mich nicht an!", spricht er zu ihr. Oder anders übersetzt: „Halte mich nicht fest!" Maria muss begreifen: Mit dem Tod am Kreuz ist alles anders geworden. Die Liebe Gottes reicht über den Augenblick des Erdenlebens hinaus und die Osterbotschaft stärkt die Hoffnung und den Lebensmut auch und gerade in Zeiten der Krise. Auferstehung heißt nicht, dass Jesus einfach wieder genauso da ist, wie er es vor dem Tod am Kreuz war. Da ist eine Distanz zwischen der Existenzform Jesu und der Marias. Jesus hat den Tod hinter sich. Maria hat ihn noch vor sich.

Es wird wohl eine ganze Weile gedauert haben, bis Maria auch emotional verstehen konnte, dass Gottes Liebe sich nicht in irdischer Nähe erschöpft. Vielmehr zeigt sich Gottes Liebe darin: Gott bewahrt, was er zum Leben geschaffen hat - über den irdischen Tod hinaus.

Das ist es, was wir Osterglauben nennen und was uns Kraft gibt und den Mut, auch in schweren und schwersten Zeiten, unser Leben in der Verantwortung vor Gott zu gestalten.

In diesem Sinne wünsche ich allen - auch unter diesen besonderen Umständen - ein frohes und gesegnetes Osterfest!

Ihr Pfr. Rainer Janus

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