Wort zum letzten Sonntag nach Epiphanias

Ende Januar ist der Glanz der Weihnachtstage bereits erloschen. Unser Bibelwort zum letzten Sonntag nach Epiphanias erzählt von einem Glanz, der nicht erlischt. Wir hören vom Glanz auf dem Angesicht des Moses, als er mit Gott gesprochen hat:

Als nun Mose vom Berge Sinai herabstieg, hatte er die zwei Tafeln des Gesetzes in seiner Hand und wusste nicht, dass die Haut seines Angesichts glänzte, weil er mit Gott geredet hatte. Als aber Aaron und alle Israeliten sahen, dass die Haut seines Angesichts glänzte, fürchteten sie sich, ihm zu nahen.

Da rief sie Mose, und sie wandten sich wieder zu ihm, Aaron und alle Obersten der Gemeinde, und er redete mit ihnen. Danach nahten sich ihm auch alle Israeliten. Und er gebot ihnen alles, was der HERR mit ihm geredet hatte auf dem Berge Sinai.

Und als er dies alles mit ihnen geredet hatte, legte er eine Decke auf sein Angesicht.

Und wenn er hineinging vor den HERRN, mit ihm zu reden, tat er die Decke ab, bis er wieder herausging. Und wenn er herauskam und zu den Israeliten redete, was ihm geboten war, sahen die Israeliten, wie die Haut seines Angesichts glänzte. Dann tat er die Decke auf sein Angesicht, bis er wieder hineinging, mit ihm zu reden.

Die vielleicht bekannteste Darstellung des Mose findet sich in Rom in der Kirche San Pietro in Vincoli auf dem Grabmal von Papst Julius II. Es ist ein gewaltiger Mose, überlebensgroß. Geschaffen hat ihn der Künstler Michelangelo Buonarroti. Man erkennt die beiden Steintafeln mit den Geboten Gottes, die er sich unter den rechten Arm geklemmt hat. Auf seinem Schoß liegt eine Decke. Und unübersehbar ragen aus seiner Stirn zwei Hörner. Mose wird als der Gehörnte dargestellt. Aber wir sollten ihn nicht mit dem verwechseln, der zu den Hörnern auch noch einen Pferdefuß hat.

Die Hörner des Mose gehen auf einen einfachen, aber sehr langlebigen, Übersetzungsfehler zurück, der dem Kirchenvater Hieronymus im 4. Jahrhundert zugeschrieben wird, der aber möglicherweise auch noch älter ist. Da in der hebräischen Sprache die Vokale nicht geschrieben werden, hat der Übersetzer die Konsonanten mit den Lautwerten KRN mit „keren“ gehörnt übersetzt, nicht mit „karan“ glänzend, leuchtend. Aus dem glänzenden, strahlenden, leuchtenden Angesicht wurde das „facies cornuta“, das gehörnte Angesicht, das sich in der römischen Tradition lange Jahrhunderte hartnäckig hielt.

Natürlich kannte Michelangelo bereits die richtige Übersetzung, aber er hielt sich an die traditionelle Darstellungsweise der Künstler seiner Zeit. Auf dem Schoß er stellt auch das Tuch dar, das Mose benutzt, um sein leuchtendes Angesicht zu verschleiern und die Menschen nicht zu erschrecken.

Zu den bekanntesten Geschichten, die sich um die Gestalt des Mose ranken, gehört seine Rettung als Kleinkind aus den Wassern des Nils. Der Überlieferung nach hatte der Pharao befohlen, dass die männlichen Kinder der hebräischen Sklaven allesamt im Nil ertränkt werden. Mose wurde durch die Tochter des kindermordenden Pharaos gerettet und durfte am Königshof aufwachsen. Dazu passt, dass Mose einen ägyptischen Namen trägt, wie Thutmosis oder Ramosis, und dass er schreiben konnte und lesen. Ein gewöhnlicher Mensch aus dem Volk oder gar ein Sklave konnte das in jener Zeit nicht.

Eine andere Geschichte erzählt von seiner Begegnung mit Gott an einem brennenden Dornbusch. Mose ist als Nomade mit einer Viehherde unterwegs und hört mitten in der Wüste die Stimme Gottes, die ihm den Auftrag gibt, das Volk Gottes aus der Sklaverei in Ägypten zu befreien. Erst nach den zehn biblischen Plagen lässt der kindermordende Pharao Gottes Volk ziehen, um es dann doch zu verfolgen und dabei selbst im Wasser des Schilfmeeres zu ertrinken. Dazu passt, dass Mose in seiner Zeit als Wüstennomade die nötigen geographischen Kenntnisse erworben und die nötige Erfahrung gesammelt hatte, um dem Pharao zu entkommen und das Volk durch die widrigen Bedingungen der Sinaihalbinsel zu führen.

Am wichtigsten aber ist die Geschichte der zehn Gebote, die Mose auf den beiden Steintafeln überbringt. Sie zeigt, dass hier nicht der Mensch Mose, sondern Gott selbst handelt. Mose ist sein Werkzeug. Denn durch die Zehn Gebote gibt Gott seinem Volk die Ordnung, die es durch die Zeiten hinweg bewahren soll. War der Weg vierzig Jahre durch die Wüste schon schwer und voller Durststrecken, so würde der Weg durch Jahrhunderte und Jahrtausende und die Auseinandersetzung mit heidnischen Kulturen noch viel schwerer werden. Mose ist der Überbringer dieser guten, menschenfreundlichen Ordnung und der Mittler zwischen Gott und seinem auserwählten Volk.

Wir kennen auch die Geschichte mit dem goldenen Kalb, das die Israel als Götzenbild angefertigt haben, als Mose allzu lange auf dem Berg geblieben war. Immer wieder suchen sich die Menschen ihre eigenen Erlösungswege, basteln sich ihre eigene Religion, laufen ihren eigenen Hirngespinsten hinterher. Darum brauchen wir brauchen Menschen, die mit Gott den Kontakt halten, und als Mittler dienen. Darum ist das Gebet so wichtig, das Gespräch mit Gott.

Die Haut seines Angesichts glänzte, weil er mit Gott geredet hatte. Es ist also nicht der Glanz des Mose, den die Menschen um ihn herum wahrnehmen, sondern der Abglanz Gottes, der auf seinem Gesicht und in seinen Augen sichtbar wird. Der Geist Gottes weckt Begeisterung. Er erfüllt die Herzen mit Hoffnung und Liebe, die überfließen. Mose strahlte so sehr, dass es die Menschen um ihn herum sogar erschreckt. Er muss sie explizit zu sich rufen, damit sie sich nahten und hörten, was Gott ihm in 40 Tagen und Nächten des Fastens an Ordnungen offenbart hatte.

Das Gesicht des Mose leuchtete so sehr, dass er es mit einer Decke verschleiern musste. Der Philosoph und Religionskritiker Friedrich Nietzsche sagt mit Blick auf die Christen: „Erlöster müssten sie aussehen, dass ich an ihren Erlöser glauben lerne.“

Wenn es unserem Leben an Glanz fehlt, dann ist das sicher kein Grund, sich unter einer Decke zu verstecken. Wenn es uns an Freude und Lebensmut mangelt, dann sollten wir nicht auch noch unser Haupt verhüllen. Wenn die Liebe uns nicht mehr bewegt, dann ist es Zeit, von neuem Gottes Nähe und Gegenwart zu suchen. Beten mag manchmal nicht leicht fallen, aber verlernen kann man das Gebet nicht.

In den Weihnachtstagen habe es manche miterleben dürfen, wie Kinderaugen leuchten vor Freude und vor Glück. So sollen die Augen aller Gotteskinder strahlen, damit auch die Religionskritiker unserer Zeit, wieder glauben lernen; damit auch die, die ihren Glauben vergessen oder verdrängt haben, wieder ins Nachdenken kommen. Ganz besonders in einer Zeit, in der andauernde Sorgen und Angst vor Krankheit uns das Leben schwer machen, braucht es Hoffnung, die einen festen Grund hat. Mit einem billigen Trost, mit billiger Ermunterung, mit Verdrängen und Schuldzuweisung an andere, ist es nicht getan, dazu ist die Zeit zu lang und die Prognosen zu vage und zu divergent.

Wir leben in einer Zeit, in der vieles, was Jahrhunderte Bestand hatte, wie Sand zerrinnt. Aber je mehr diese Destabilisierung fortschreitet, desto wichtiger ist es, dass Menschen ein gutes, ein sicheres, ein stabiles Fundament für das Haus ihres Lebens haben, in das die Freude einkehren kann, die das Leben eigentlich haben sollte.

Unsere christliche Hoffnung ist begründet im Vertrauen auf den Schöpfer und Bewahrer allen Lebens, der uns in Jesus Christus den Glanz seiner Liebe gezeigt hat und spricht: „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen. Du bist mein.“ Sein Wort ist eine Einladung, den Kontakt mit ihm zu halten in Wort und Gebet, und von dem Glanz erfüllt zu werden, der von Eden ausgeht und dereinst Himmel und Erde überstrahlen wird - in Ewigkeit. Amen.

Ihr Pfarrer Rainer Janus