Wort zum Christfest
Am Weihnachtsfest hören wir gerne die Weihnachtsgeschichte aus dem Evangelium nach Lukas.
Aber auch an anderen Stellen des Neuen Testaments ist von Weihnachten und der Geburt des Heilands die Rede.
Der Brief an die Hebräer beginnt mit den Worten: Nachdem Gott vorzeiten vielfach und auf vielerlei Weise geredet hat zu den Vätern durch die Propheten, hat er in diesen letzten Tagen zu uns geredet durch den Sohn, den er eingesetzt hat zum Erben über alles, durch den er auch die Welt gemacht hat.
Er ist der Abglanz seiner Herrlichkeit und das Ebenbild seines Wesens und trägt alle Dinge mit seinem kräftigen Wort und hat vollbracht die Reinigung von den Sünden und hat sich gesetzt zur Rechten der Majestät in der Höhe und ist so viel höher geworden als die Engel, wie der Name, den er ererbt hat, höher ist als ihr Name. (Hebräer 1, 1-4)
„Gott hat zu uns geredet!“ Das heißt, Gott kümmert sich um uns. Wir sind ihm nicht egal. Er will uns nicht irgendeinem Schicksal überlassen, sondern er will unserem Dasein einen Sinn und ein Ziel geben.
Dieser blaue Planet Erde ist nur ein winziges Staubkorn im großen Universum, in den unendlichen Weiten des Weltalls. Aber der Schöpfer dieses Universums redet mit uns Menschen, die wir hier ameisengleich unser Leben fristen. Der Ewige, der Raum und Zeit umspannt, nimmt uns wahr und nimmt sich höchstpersönlich für uns Zeit. Hat er vorzeiten durch Propheten sein Wort verkünden lassen, so kommt er an Weihnachten selbst, wird Mensch und redet in menschlicher Sprache.
„Er hat zu uns geredet durch seinen Sohn!“ So wichtig ist ihm dieses Gespräch mit seinen Geschöpfen, dass er sich selbst hineinbegibt in unser Leben – mit allen Sorgen und Nöten. Der Gott der Bibel ist keiner, der schweigt und unberührt zuschaut. Er führt auch keine Selbstgespräche, er will nicht seine Ruhe, sondern er redet. Er nimmt Kontakt auf. Er offenbart sich. Er spricht uns an.
Wir hören viele Worte. Viele Stimmen reden auf uns ein. Mag sein, dass Gottes Reden im Stimmengewirr unseres Lebens, auch im Stimmengewirr eines Weihnachtsfestes manchmal untergeht, dass wir ihn manchmal überhören. Aber sein Wort ist da. Denn: „Er hat zu uns geredet durch den Sohn!“
Na ja, wird jetzt vielleicht jemand sagen: Das war ja nun für die Jünger damals leichter, greifbarer, sichtbarer, hörbarer als für uns. Denn die saßen schließlich zu seinen Füßen, als er seine Bergpredigt gehalten hat. Die saßen mit ihm im Boot, als der Sturm kam und haben miterlebt, wie er die Wogen beruhigt hat. Seine Jünger haben ihm über die Schulter geschaut, als die zehn Aussätzigen zaghaft näherkamen, und hatten furchtbar Angst, sich anzustecken. Sie haben die Luft angehalten, als Jesus Kranke einfach berührt hat, und haben mit gestaunt, als sie geheilt in eine bessere Zukunft gehen konnten.
Die Jünger damals, die konnten Jesus fragen: Jesus, wie hast du das gemeint und warum hast du jenes nicht gemacht und erzähl doch noch einmal die Geschichte vom verlorenen Sohn. Die saßen mit ihm am Tisch und haben ihm ihre Sorgen und Freuden und Fragen einfach beim Essen erzählen können. Die konnten ihn mal eben um einen guten Rat bitten. Die konnten damals sagen: „Zu uns hat Gott geredet durch seinen Sohn!“ Aber wir heute?
Der Hebräerbrief wurde erst Jahre und Jahrzehnte nach Jesu Tod geschrieben. Er ist gerichtet an Christen der zweiten und dritten Generation. Die haben Jesus auch nie live erlebt. Die waren auch nicht selbst dabei gewesen und waren nicht mit ihm in Galiläa und Judäa herumgezogen. Denen ging es wie uns. Dennoch stand es für sie fest: „Er hat zu uns geredet durch seinen Sohn!“ Nicht nur zu den ersten Jüngern, nicht nur zu Petrus, Johannes und Jakobus - auch zu uns.
Nicht irgendwo in den unendlichen Weiten des Weltalls ist Gott. Zurückgezogen, unzugänglich, sondern er ist da! Er, der Raum und Zeit umspannt, neigt sich aus der Ewigkeit hinein in Raum und Zeit. Auch in unseren Raum. Auch in unsere Zeit. Und er teilt uns nicht nur irgendeine Botschaft mit, sondern er teilt sich selbst uns mit. Er macht sich uns bekannt. Das ist die Weihnachtsbotschaft.
Mit der Geburt Jesu betritt der die Welt, der Ursprung und Ziel dieser Welt ist. Mit der Geburt im Stall kommt der, dem diese Welt gehört. Er kommt in die Welt, weil er's aus purer Liebe einfach nicht mehr mit ansehen kann, wie es bei uns zugeht - ohne ihn. In der Weihnacht neigt sich der ewige Gott in unsere Zeit hinein - und er zieht sich nicht wieder zurück, schüttelt nicht den Staub von seinen Füßen, sondern geht den mühsamen Weg der Liebe bis zum bitteren Ende.
Das Kind in der Futterkrippe ist ein ganz normales Menschenkind. Maria hat seine Windeln gewaschen. Sein Brot hat Jesus mit seiner Hände Arbeit verdient, als Zimmermann. Er hat Schmerzen gelitten bis zum Tod am Kreuz. Und gleichermaßen finden wir in Jesus Christus den, der unsere Welt in seinen ewigen Händen hält. Im Sohn finden wir den Vater. Er ist ganz der Vater. Wenn wir wissen wollen, wie Gott ist, können und sollen wir Jesus Christus anschauen. Wenn wir Gottes Wort hören wollen, können und sollen wir Jesus Christus hören.
Wir saßen eben nicht zu seinen Füßen, als er gepredigt hat. Aber wir haben eine Bibel und wir können lesen. Wir können ihn im Gebet fragen, was er mit unserem Leben zu tun hat, was er zu unserem Leben zu sagen hat.
Wir saßen nicht mit ihm im Boot, als der Sturm kam. Aber wir brauchen unsere Lebensstürme nicht allein durchzukämpfen, sondern können ihn einladen, zu uns ins Boot zu kommen auf der großen Fahrt unseres Lebens. Ihn bitten, dass er uns durchlotst durch Sturmböen des Leides, durch Wellen der Schuld, durch Untiefen der Sorge. Wir können den Kurs unseres Lebens an seinem Wort ausrichten.
Wir haben ihm nicht über die Schulter geschaut, als die ausgestoßenen Aussätzigen zaghaft näherkamen. Aber wir können ihm anvertrauen, was in unserem Leben nicht heil ist. Es ihm hinhalten und ihn bitten, dass er uns gerade dort berührt und uns gerade darin begegnet. Und wir können uns von ihm, von seiner göttlichen Liebe bewegen lassen - hin zu einem Menschen, der außen vor ist, der am Rand ist, der eben nicht im Mittelpunkt der Beliebtheit steht. Wir können uns von der göttlichen Liebe bewegen lassen, versöhnende Menschen zu werden, die anfangen, Brücken zu bauen.
Wir saßen damals nicht mit Jesus am Tisch. Aber wir können ihn schon mit einem ganz schlichten Tischgebet bitten, unser Gast zu werden. Nicht nur Gast am Esstisch, sondern Gast in unserem ganzen Leben.
In diesen ersten Sätzen des Hebräerbriefes wird uns ein unendlich großer Gott vor Augen gemalt, herrlich und majestätisch. Es ist zugleich ein Gott, der uns unendlich nahe kommt, der ganz bei uns ist.
Diese Botschaft des Hebräerbriefes setzt ein Kontrastbild zur Geburtsgeschichte des Heiligen Abends, in der erzählt wird von der Armseligkeit und Bescheidenheit der göttlichen Geburt in der Krippe. Gott entäußert sich aller Gewalt und Macht, nimmt des Menschen Gestalt an und wird niedrig und gering.
Ganz anders der Hebräerbrief: Herrlichkeit, Majestät und eigene Wortmächtigkeit zeichnen den Sohn aus. Er ist ausgestattet mit der Kraft zur Reinigung von Sünde und mit der Macht zur Erlösung von Schuld. Der Sohn wird vorgestellt als der Christus, der später von sich sagen wird: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden“.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat in seiner Weihnachtsansprache betont, dass wir Grund zur Zuversicht haben. Wir Christen kennen diesen Grund bei seinem Namen: Er heißt Jesus von Nazareth, das Kind in der Krippe, der Mann am Kreuz. Durch ihn wissen wir: Gott liebt diese Welt - und er vergisst uns nicht in Zeit und Ewigkeit. Amen.