Wort zum Abschluss der Bibelwoche
Die ökumenische Bibelwoche schließt mit einem ökumenischen Gottesdienst am Sonntag Laetare (27. März 2022) um 18 Uhr in der Ev. Kirche Friesenheim.
Im Mittelpunkt steht der Lobgesang der drei Jünglinge im Feuerofen im dritten Kapitel des Buches Daniel. Dieses Bibelwort ist in allen katholischen Bibelausgaben, die sich nach der Septuaginta richten, ausgedruckt. In den übrigen Bibelausgaben ist der Text unter den sogenannten apokryphen Schriften zu finden.
Gepriesen bist du Gott, der in die Tiefen schaut. (Daniel 3, 54)
Wir haben in den vergangenen Tagen im Rahmen der ökumenischen Bibelabende viel gehört von Daniel und seinen Gefährten, Hananja, Asarja und Michael. Sie waren noch jung, als Jerusalem von babylonischen Soldaten belagert und zerstört wurde. Der babylonische Großkönig Nebukadnezzar II nahm sie als Kriegsbeute mit nach Babylon, wo sie am Königshof Dienst tun sollten.
Obwohl sie noch jung waren, vielleicht im Alter unserer Konfirmanden, hatten sie ihren Glauben mitgenommen auf dem Weg in die Kriegsgefangenschaft, den Glauben an den lebendigen Gott. Und das Besondere an diesen vier jungen Menschen war, dass sie diesem Glauben treu geblieben sind auch dann, wenn es einfacher gewesen wäre, sich den fremden Religionen anzupassen. Daniel und seine Gefährten halten Gott die Treue - und Gott hält ihnen die Treue.
Pfr. Jelic hat am Mittwoch dann eindrücklich geschildert, wie Hananja, Asarja und Michael gezwungen werden sollten, sich vor einem Standbild zu verbeugen. Es muss schon ein sehr imposantes Standbild gewesen sein, 30 Meter hoch und mit Gold überzogen. Aber wer einen lebendigen Gott hat, der verneigt sich nicht vor toten Götzenbildern, auch dann nicht, wenn sie mit Gold überzogen sind.
Es war in dieser Zeit nicht unüblich, die Todesstrafe durch Verbrennen zu vollziehen. So kommen die drei Jünglinge in den Ofen, in dem das Gold geschmolzen wurde, aber obwohl die Hitze im Ofen siebenmal höher ist, kann das Feuer den Gefährten nichts anhaben. Wer selbst glüht, wer selbst im Glauben brennt, dem kann der Feuerofen nicht schaden. Eine vierte Person wird im Ofen gesehen. Es ist wohl der Schutzengel, den Gott gesandt hat. Noch in der Feuerglut des Ofen stimmen Hananja, Asarja und Michael ihren Lobpreis an. Gepriesen bist du Gott, der in die Tiefen schaut. Und sie fordern uns alle auf, miteinzustimmen in diesen Lobgesang.
Es ist wohl schon 30 Jahre her, da saßen an einem schönen Sonntagmorgen sechs Männer hier in dieser Kirche und wohnten dem Gottesdienst bei. Es waren sechs Männer, die sonst nicht zu den häufigen Gottesdienstbesuchern gehörten. Und weil der Pfarrer schon immer ein wenig wunderfitzig war, kam man nach dem Gottesdienst ins Gespräch. Die sechs hatten eine Fahrt unternommen, bei der vier von ihnen in einen schweren Unfall geraten sind. Sie hätten alle vier tot sein können und waren – Gott sei Dank – kaum verletzt worden. Sie waren an diesem Sonntag allesamt in die Kirche gekommen, um dem lieben Gott ein Dankeschön zu sagen.
Man mag über eine solche Begebenheit schmunzeln. Mir ist sie in Erinnerung geblieben, weil ich damals gedacht habe: Wie viele Menschen vergessen, dem lieben Gott ein Dankeschön zu sagen? Wir erleben Bewahrung, und anstatt Gott zu danken, sagen wir „Glück gehabt!“. Wir haben Tag für Tag etwas zu essen, und halten das für eine Selbstverständlichkeit. Friede, Freiheit, Demokratie, Gesundheit und Wohlstand, vieles haben wir geschenkt und in die Wiege gelegt bekommen, aber haben wir dem Geber aller guten Gaben dafür auch gedankt. Alle guten Gaben, alles, was wir haben, kommt, o Gott, von dir. Wir danken dir dafür.
Gott braucht unser Lob nicht. Kinder brauchen Lob und Mitarbeiter. Lob kann motivieren und beflügeln. Mancher Lehrerin gelingt ein tadelloser Unterricht. Der Tatortkommissar freut sich über die gute Arbeit seiner Kollegen. Aber es gibt auch viele, die die Auffassung vertreten: Nichts gesagt ist genug gelobt.
Für die Gefährten im Feuerofen ist das keine Frage. Natürlich wissen sie, dass Gott nicht auf ihr Lob angewiesen ist, aber was des Herz voll ist, des geht der Mund über. Sie erleben, dass der große Gott sich ihrer annimmt. Der, der ihr Leben geschaffen hat, bewahrt es. Er sendet seinen Schutzengel. Sie können nicht schweigen.
Und vielleicht ist das das tiefste und innerste Geheimnis des Gotteslobes: Es kommt aus dem Herzen. Es entspringt dem Glück, einen Vater im Himmel zu haben, der mich liebt – der mich sieht in der tiefsten Tiefe, der mich auch dann nicht im Stich lässt, wenn mein Weg durch ein finsteres Tal führt.
Seltsam ist allerding, dass die Jünglinge ihr Loblied noch im Feuerofen drin anstimmen. Sie sind noch gar nicht gerettet. Ihr Leben ist in höchster Gefahr. Die Flamen lodern. Der Sauerstoff wird knapp. Noch ist ihr Entrinnen eine vage Hoffnung, eine unwahrscheinliche Möglichkeit.
Und es gehört zu den Erfahrungen unseres Menschseins, dass es auch böse enden kann. Die Feueröfen dieser Welt sind noch einmal siebenmal heißer als damals in Babylon. Und da war kein Schutzengel in den Feueröfen von Ausschwitz. Und wo ist Gottes Beistand und Hilfe heute Nacht in Mariupol, wenn wieder Menschen durch Bomben und Raketen ermordet werden?
Vielleicht beginnen wir jetzt schon zu ahnen, dass der Lobgesang aus dem Munde der Jugendlichen in einer Glaubensgewissheit begründet ist, die über unser irdisches Dasein hinausreicht. Die tiefste Tiefe ist der Tod, die ewige Sinnlosigkeit, das Nichts. Aber diesem liebevollen Gott ist auch die tiefste Tiefe nicht zu tief. Er steigt von den höchsten Himmeln herab, um uns in den Tiefen und Untiefen unseres Alltags, in Krankheit, Angst und Gefahr nicht allein zu lassen - und wenn unsere Lebensreise dereinst weitergeht, nimmt er uns an der Hand und führt uns durch den Tod hindurch zum Leben.
In verschiedenen Kirchen dieser Welt war und ist dieser Feuerofen voll Gesang und Musik Bestandteil der Osterliturgien. Der Jubel des Ostermorgens wird hier vorweggenommen. Das Loblied der Jünglinge preist den Schöpfer und Bewahrer allen Leben. Es preist den, der in Jesus Christus den Tod überwunden und den Weg zum Leben eröffnet hat, den Weg, der über die Versöhnung mitten in die Herrlichkeit der Liebe Gottes hineinführt.
Dem lieben Gott ein Dankeschön sagen - Gründe dafür gibt es jeden Tag neu in unermesslicher Zahl. Aber die Menschen vergessen diesen Gott. Sie leben und handeln, als ob es diesen Gott nicht gäbe, und als ob wir alle Produkte einer langen unwahrscheinlichen Verkettung von Zufällen wären. Sie leben und handeln, ohne die Verantwortung vor diesem Gott im Blick zu haben. Und die Ergebnisse dieser Lebenshaltung sehen wir an den vielen Gottlosigkeiten und Lieblosigkeiten an allen Ecken und Enden.
In sehr eindrücklicher Weise hat Pfr. Gölz beim Bibelabend am Freitag über das Bußgebet des Daniel gesprochen, das ja ein stellvertretendes Bußgebet für das ganze Gottesvolk sein soll und will. Gottes Ziel mit uns ist nicht der Tod und das Verderben, sondern die Reue, die Umkehr, das Zurückfinden zu einem Leben im Einklang mit dem Schöpfer und unseren Mitgeschöpfen – so, dass wir am Ende alle mit einstimmen können in den Lobgesang den Asarja, Hananja und Michael in diesem Feuerofen einst angestimmt haben und der weiterklingt durch die Zeiten bis in Ewigkeit.
Bleibt am Ende scherzhaft die Frage, ob die drei Jünglinge im Feuer vierstimmig gesungen haben? Wer weiß, vielleicht hat am Ende der Engel mitgesungen. Ich denke, unser Lobgesang darf vielstimmig sein. Jeder darf mit seiner Stimmlage einstimmen. Und wer nicht singen kann, soll trommeln oder pfeifen und mit den Füßen stampfen, damit es alle hören. Denn diese Welt braucht diesen Gott. Und wir Menschen brauchen den Glauben an ihn, weil wir einen Grund für unsere Hoffnung brauchen. Wir brauchen Gottes Liebe, weil nur seine Liebe heilen kann, was verletzt und zerbrochen ist und jeden Tag neu verletzt und zerbrochen wird in Welt draußen und tief drinnen in uns selbst. Singen wir sein Lob durch das Zeugnis unseres Lebens so laut und so deutlich, dass die Menschen draußen es hören und sehen und den Weg zum Glauben finden. Amen.
Ihr Pfarrer Rainer Janus