Wort zum 3. Sonntag nach Epiphanias

Der Evangelist Matthäus berichtet:

Als aber Jesus nach Kapernaum hineinging, trat ein Hauptmann zu ihm; der bat ihn und sprach: Herr, mein Knecht liegt zu Hause und ist gelähmt und leidet große Qualen.

Jesus sprach zu ihm: Ich will kommen und ihn gesund machen. Der Hauptmann antwortete und sprach: Herr, ich bin nicht wert, dass du unter mein Dach gehst, sondern sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund.

 

Denn auch ich bin ein Mensch, der einer Obrigkeit untersteht, und habe Soldaten unter mir; und wenn ich zu einem sage: Geh hin!, so geht er; und zu einem andern: Komm her!, so kommt er; und zu meinem Knecht: Tu das!, so tut er's.

Als das Jesus hörte, wunderte er sich und sprach zu denen, die ihm nachfolgten: Wahrlich, ich sage euch: Solchen Glauben habe ich in Israel bei keinem gefunden!

Aber ich sage euch: Viele werden kommen von Osten und von Westen und mit Abraham und Isaak und Jakob im Himmelreich zu Tisch sitzen; aber die Kinder des Reichs werden hinausgestoßen in die äußerste Finsternis; da wird sein Heulen und Zähneklappern.

Und Jesus sprach zu dem Hauptmann: Geh hin; dir geschehe, wie du geglaubt hast. Und sein Knecht wurde gesund zu derselben Stunde.

Auf den Straßen von Kapernaum treffen zwei Welten aufeinander. Jesus und seine Jünger verkörpern die einheimische Bevölkerung und den jüdischen Gottesglauben. Der Hauptmann und seine Soldaten zählen zu den römischen Besatzungstruppen, die als Herren auftraten und das jüdische Volk mit Gewalt unterdrückt und ausgebeutet haben. Ost und West, Orient und Okzident, jüdische Religion und griechisch-römische Kultur standen sich unversöhnt und feindselig gegenüber.

Kapernaum war in jener Zeit ein großes „Dorf“ am nordwestlichen Ufer des Sees Genezareth mit etwa 600 bis 1000 Einwohnern, die sich von Fischerei und Landwirtschaft ernährten. Für den früheren Zimmermann und jetzigen Rabbi, Jesus von Nazareth, war dieses Dorf zur Wahlheimat geworden. Für den römischen Hauptmann war Kapernaum ein Außenposten unweit von der großen Römerstraße „via maris“, die Straße zum Meer.

Dass ein römischer Soldat im Offiziersrang zu einem jüdischen Rabbi geht, und ihn um Hilfe bittet, ist ein absolut undenkbarer, vollkommen außergewöhnlicher Vorgang. Und man fragt sich, wie verzweifelt dieser Offizier gewesen sein muss, dass er sich auf den Weg zu Jesus gemacht hat. Wir erfahren leider nicht, was der Hauptmann schon alles unternommen hatte, um seinem Knecht zu helfen. Hatte er schon einen römischen Arzt aus Caesarea rufen lassen und war der mit seinem Latein am Ende? Warum kümmerte sich dieser Hauptmann überhaupt so sehr um diesen kranken Knecht? Manche Ausleger unterstellen hier ein Liebesverhältnis zwischen den beiden Männern. Mir erscheint das zu weit hergeholt und hineininterpretiert in die Geschichte. Auch ein Soldat kann doch ein guter Mensch sein, trotz des rauen Kriegshandwerks. Auch einem Soldaten kann doch das Leid eines Mitmenschen nahegehen. Vielleicht wollte der Hauptmann dem Knecht einfach nur deshalb helfen, weil er mitangesehen hat, wie sehr er unter Krankheit und Schmerzen leiden musste. Und er wollte nichts unversucht lassen.

Aller Unversöhnlichkeit und Feindschaft zum Trotz ist die Begegnung geprägt von gegenseitiger Achtung und Verständnis füreinander. Jesus hört die Bitte des Soldaten und ist sogleich bereit, ihm zu helfen, auch wenn er die Grenzen seiner Religion zu überschreiten und das Haus eines Heiden zu betreten muss. „Ich will kommen und ihn gesund machen.“

Die Häuser von Heiden galten als unrein, nicht nur, weil die Heiden die jüdischen Reinheitsgebote nicht eingehalten haben, sondern weil in den Häusern Bilder und Statuen aus fremden Religionen aufgestellt waren. Kein gesetzestreuer Jude hätte ohne Zwang ein heidnische Haus betreten. Aber an dieser Stelle zeigt sich, wie sehr der Rabbi aus Nazareth sich vom damaligen Judentum unterscheidet. Für Jesus ist nicht mehr die Gesetzestreue entscheidend, sondern die Liebe. Die Liebe steht über dem Gesetz, oder wie es der Apostel Paulus später formuliert: Die Liebe ist die Erfüllung des Gesetzes. Und Jesus geht so weit, dass er sagt: Du sollst auch deine Feinde lieben.

Aber der Offizier möchte dem jüdischen Rabbi diesen schwierigen Hausbesuch nicht zumuten und er spricht diese Worte, die selbst Jesus verwundern und in Erstaunen versetzen: „Herr, ich bin nicht wert, dass du unter mein Dach gehst, sondern sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund.“

Der Soldat kennt die Wirksamkeit von Worten aus seinem militärischen Bereich. Befehle müssen befolgt werden. Und der Gehorsam gegenüber den Worten des Befehlshaber kann über Sieg oder Niederlage, Leben und Sterben entscheiden.

Wissend oder unwissend spricht er damit etwas an, was das jüdische und auch das christliche Glaubensverständnis im tiefsten Innersten ausmacht und prägt: Die Wirksamkeit oder die Wirkmächtigkeit von Gottes Wort. Wer die Bibel auf den ersten Seiten aufschlägt, der liest dort von Gottes Schöpfungswerken. „Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht.“ Gott schafft durch sein Wort die Wirklichkeit, die Welt, das Leben.

Auch menschliche Worte haben die Kraft, etwas zu bewirken, zum Guten und zum Unguten. Worte können verletzen. Da gibt es unbedachte Äußerungen, im Streit jemanden an den Kopf geworfen, ohne sie vorher auf die Goldwaage zu leben und abzuwägen. Da gibt es Söhne und Töchter, die nicht zur Beerdigung ihres Vaters kommen, weil böse Worte vor Jahren und Jahrzehnten zum Zerwürfnis führten und bis heute nachwirken.

Worte können aber auch versöhnen, trösten heilen. Worte können verzaubern, können Leben verändern. Das Jawort zueinander verbindet Menschen über ein ganzes Leben hinweg in Liebe, Fürsorge und Treue. Und wenn wir den Apostel Paulus fragen, so würde er uns sagen: Unser ganzer Glaube kommt aus der Predigt, aus dem Hören auf Gottes Wort.

Jesus ist zurecht erstaunt und verwundert über diesen Soldaten und sein schlichtes, aber klares Bekenntnis zur Wirkmächtigkeit von Gottes Wort. „Solchen Glauben habe ich in Israel bei keinem gefunden!“ Und hier wird deutlich, dass Gottes Wort nicht an die Kultur gebunden ist. Es überwindet die Grenzen der Völker und Kulturen. Der Gott der Liebe spricht eine Sprache, die jeder verstehen kann.

Und an dieser Stelle macht Jesus noch einmal deutlich, dass der Zugang zum Himmelreicht nicht an der Volkszugehörigkeit liegt, und nicht an der Religionszugehörigkeit. Nicht wer das Gesetz gehalten hat, wird zu Tisch sitzen mit Abraham, Isaak und Jakob, sondern wer sich in Gedanken, Worten und Werken vom Geist der Liebe hat leiten lassen.

Vielleicht ist das interessant in einer Zeit, in der die Kirchen in der Kritik stehen, ihre Macht missbraucht zu haben, um Straftäter zu decken, sie gewähren zu lassen auf Koster der Opfer, die noch Kinder sind. Selbst Papst Benedikt wird der Unwahrheit bezichtigt. Aber nicht die Kirche ist wichtig, sondern der Glaube. Nicht Päpste und Pfarrer sind wichtig, sondern der Dienst am Wort Gottes und an den Menschen, dass die Menschen Gottes Wort hören, dass sie wieder neu eingeladen werden, sich von Gottes Liebe ergreifen zu lassen. Kirchen sind Werkzeug und nicht Selbstzweck. Sie sollen Gottes Wort und Willen befördern und dort zur Umkehr rufen, wo der menschliche Geist sich verrennt in der kurzsichtigen Suche nach dem eigenen Vorteil.

Dass jemand gesund wird, das dürfen auch wir heute immer wieder dankbar erleben. Und wir dürfen auch dankbar staunen über die Wunder, die unsere Ärzte und unsere Medizin heute vollbringen kann. Aber in unserem Bibelwort gerät das Wunder der Heilung am Ende fast zur Nebensache. Jesus schickt den Soldaten nach Hause und ohne, dass er es explizit ausspricht und in Worte fasst, wird der Kranke gesund. „Dir geschehe, wie du geglaubt hast.“ Das Wort, das den Glauben hervorruft, wirkt auch durch den Glauben.

Nicht durch sein Kriegshandwerk, sondern durch seinen Glauben und sein Vertrauen in Jesus Christus, wird der Hauptmann von Kapernaum zu einem Vorbild. Sein Beispiel kann und soll uns helfen, den Weg zum Glauben zu finden und im Glauben zu wachsen, so dass auch wir im Anklang an seine Worte sprechen können: Herr, ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter mein Dach, aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund. Amen

Ihr Pfarrer Rainer Janus