Wort zum 2. Sonntag nach Epiphanias

Paulus, der Apostel, schreibt in seinen ersten Brief an die Korinther:

Auch ich, meine Brüder, als ich zu euch kam, kam ich nicht mit hohen Worten oder hoher Weisheit, euch das Geheimnis Gottes zu predigen. Denn ich hielt es für richtig, unter euch nichts zu wissen als allein Jesus Christus, ihn, den Gekreuzigten.

Und ich war bei euch in Schwachheit und in Furcht und mit großem Zittern; und mein Wort und meine Predigt geschahen nicht mit überredenden Worten der Weisheit, sondern im Erweis des Geistes und der Kraft, auf dass euer Glaube nicht stehe auf Menschenweisheit, sondern auf Gottes Kraft.

Von Weisheit reden wir aber unter den Vollkommenen; doch nicht von einer Weisheit dieser Welt, auch nicht der Herrscher dieser Welt, die vergehen. Sondern wir reden von der Weisheit Gottes, die im Geheimnis verborgen ist, die Gott vorherbestimmt hat vor aller Zeit zu unserer Herrlichkeit, die keiner von den Herrschern dieser Welt erkannt hat; denn wenn sie die erkannt hätten, hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt. Sondern wir reden, wie geschrieben steht (Jesaja 64,3): »Was kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben.«

Uns aber hat es Gott offenbart durch den Geist; denn der Geist erforscht alle Dinge, auch die Tiefen Gottes. (1. Korinther 2, 1-10)

In der Literatur des Alten Testaments erfährt die Weisheit allergrößte Wertschätzung. Von Anbeginn der Schöpfung war die Weisheit Gespielin Gottes. Und in der Schöpfung ist die Weisheit erkennbar und erfahrbar.

Auch das Streben des Menschen nach Weisheit wird positiv gesehen: Von König Salomo wird berichtet, dass ihm des Nachts zu Gibeon Gott selbst im Traum erschien und zu ihm sprach: Bitte, was ich dir geben soll. Salomo hat einen Wunsch frei und er bittet nicht um ein langes Leben, nicht um unermesslichen Reichtum und nicht um unbegrenzte Macht. Salomo bittet Gott um ein gehorsames Herz, das ihm hilft, sein Volk in guter und verantwortlicher Weise zu regieren. Und Gott schenkt ihm ein weises und verständiges Herz, dass ihm die gelingen konnte. Und so ist Salomon zu einem guten und gerechten Herrscher geworden, der als König der Weisheit in die Geschichte einging.

Was mag den Apostel Paulus bewogen haben, sich so eindeutig und klar von der Weisheit zu distanzieren und zu sagen: Als ich zu euch kam, kam ich nicht mit hohen Worten oder hoher Weisheit, euch das Geheimnis Gottes zu predigen? Und was mag das bedeuten, wenn er behauptet: Mein Wort und meine Predigt geschahen nicht mit überredenden Worten der Weisheit? Verachtet der Apostel, was König Salomo einst so sehr schätzte?

Nein, der Apostel verachtet die Weisheit nicht. Aber er unterscheidet zwischen Menschenweisheit und Gottes Weisheit. Und er hält Menschenweisheit nicht für ein geeignetes Fundament für den Glauben. Der Glaube basiert auf der Weisheit Gottes und nicht auf der Weisheit von Menschen.

Paulus heißt übersetzt der Kleine, der Geringe. Und der Apostel hat diesen Namen zum Programm gemacht: Nicht seine Person, nicht seine wortgewandte Predigt, nicht sein Intellekt rufen zum Glauben, sondern Gottes Heilshandeln in Jesus Christus. Paulus achtet sehr darauf, dass er mit seiner Person dem Glauben nicht im Wege steht, sondern ganz und gar hinter die Person Jesu Christi zurücktritt. Nicht der Apostel ist groß, sondern der, den Gott zum Herrn und Heiland bestellt hat.

In der damaligen griechisch-römisch geprägten Welt galt Weisheit als schick. Die Philosophie ist die Liebe zur Weisheit. Der Mensch entdeckt seinen Intellekt. Und vieles von dem, was unsere Welt heute prägt, haben die Gelehrten der Antike mit ihren klugen Köpfen schon erdacht.

Ich vermute, dass der Apostel diese großartige Leistung des Menschen nicht herabwürdigen will. Er will sie einordnen und will ihr die Bedeutung zumessen, die ihr zukommt. Denn die Welt des Wissens und der Wissenschaft ist so faszinierend, so vielfältig und so großartig, dass der Mensch schnell den Überblick verliert und vor lauter Begeisterung für das Detail das große Ganze aus dem Blick verliert. Es gibt auch so etwas wie eine Arroganz des Wissens.

Und so sah die Welt der Philosophen gerne auf die neue Religion der Christen herab. Die allzu menschlichen Mythen der eigenen Götterwelt und die Vielfalt der Religionen hatte schon längst zu religionskritischen Gedanken geführt. Aber der Gott, der am Kreuz endet, war in den Augen der Gebildeten nichts anderes als Unsinn. Die Botschaft von einem Gott, der mitten im Stallgeruch Mensch wird, sich mit den Armen und Erfolglosen solidarisiert und am Ende seine Ohnmacht erweist, passte nicht in ihre Gedankenwelt.

Und hier setzt Paulus an. Er bleibt nicht der irdischen Denkweise menschlicher Weisheit verhaftet. Er öffnet seine Gedankenwelt für die Kraft und den Geist Gottes. Und er nimmt die Herrschenden dieser Welt zum Beispiel: Ihre Macht äußert sich in Gewalt. Sie führen Kriege und unterdrücken ganze Völker. Sie kreuzigen den Herrn der Herrlichkeit. Gottes Macht aber ist die Ohnmacht der Liebe. Indem er Mensch und Bruder wird, teilt er unser Schicksal, unsere Schmerzen, Freud und Leid und Tod.

Das Geheimnis Gottes bleibt dem menschlichen Verstand verschlossen. Und wir wüssten nichts davon, wenn nicht Gott sein Geheimnis selbst offenbart hätte. Wir haben die Erfahrungen der Väter, die sich in den Schriften der Bibel finden. Wir haben die Botschaft von Jesus Christus. Wir haben unsere eigenen Glaubenserfahrungen im Gebet. Das alles sind Erfahrungen mit Gottes Geist der Liebe und mit seiner Kraft der Liebe. Und für den Apostel Paulus fokussiert sich diese Liebe am Kreuz, wo Gott, der Schöpfer allen Lebens sein Leben gibt das, was er liebt und bewahren will. Er will das, was er aus dem Nichts geschaffen hat nicht wieder ins Nichts zurückfallen lassen und dem immerwährenden Tod preisgeben. Er schenkt Leben in Fülle, ewiges Leben.

Paulus ist eher ein knöcherner Intellektueller. Er kommt eher selten ins Schwärmen. Und dennoch hat ein Martin Luther ausgerechnet bei Paulus das Evangelium, die frohe Botschaft von der Erlösung allein aus Gnade gefunden. Um seine Emotionalität zum Ausdruck zu bringen, leiht der Apostel sich die Worte des Propheten Jesaja: »Was kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben.« Nur der Geist der Liebe nur die Kraft der Liebe entdecken das Geheimnis Gottes, erfahren, was im innersten Herzen Gottes vor sich geht.

„In dir ist Freude in allem Leide“, so fasst der Liederdichter Cyriakus Schneegaß 1598 seine Erfahrung mit dem Geheimnis Gottes zusammen. „Wenn wir dich haben, kann uns nicht schaden Teufel, Welt, Sünd oder Tod.“

Und das ist es, was dem Apostel Paulus so wichtig ist und was er seiner Gemeinde in Korinth und uns allen nahebringen möchte: Dass wir die Freude am Leben und Lieben nicht verlieren. Dass wir uns mit der Weisheit der Menschen nicht begnügen, sondern nach der Weisheit Gottes im Geist und in der Kraft der Liebe streben.

Wir sehen an den Verschwörungstheorien unserer Tage, wie sehr die Gedankenwelt das Leben in unguter Weise prägt. Der Mensch verfängt sich in seiner Gedankenwelt, sieht sich Unwissenden gegenüber, hält sich selbst für erleuchtet und kommt auch nicht mehr davon los mit allen negativen Folgen bis hin zur Verbitterung und Vereinsamung, Hass und Gewalt.

Der Glaube an Gottes Liebe hat dagegen die Kraft zu heilen, was Schaden genommen hat an Leib und Seele. Das Vertrauen zu dem, der sein Leben für uns gegeben hat, bindet uns ein in die Gemeinschaft aller Geschöpfe und macht frei, selbst im Geiste der Liebe zu leben - in Zeit und Ewigkeit. Amen.

Ihr Pfarrer Rainer Janus