Wort zum Sonntag – 13. Dezember 2020

Am dritten Advent gedenkt die Christenheit Johannes des Täufers.

Er gilt als Wegbereiter Jesu.

Und aus den Aufzeichnungen des jüdischen Geschichtsschreibers Flavius Josephus geht hervor, dass er als Bußprediger auftrat und eine erwähnenswerte Anhängerschaft hatte.

Für Matthias Grünewald, der Künstler, der den Isenheimer Altar geschaffen hat, gehörte dieser Johannes zu den zentralen Akteuren des Heilsgeschehens am Kreuz von Golgatha. Er stellt ihn dem gekreuzigten Christus zur Seite mit den Worten: Jener muss wachsen, ich aber muss abnehmen. „Illum oportet crescere me autem minui”. Selbst im Islam wird Johannes als Prophet geachtet, als Vorläufer von Jesus und von Mohammed.

Er muss wohl ein seltsamer Mensch gewesen sein, dieser Johannes, so wird von ihm berichtet, dass er keinen Wein getrunken hat und kein starkes Getränk. Vermutlich war er ein sehr ernster Mensch, der dem „dolce vita“ nicht viel abgewinnen konnte. Er soll sich mit einem einfachen Kamelhaarmantel bekleidet und sich von wildem Honig und Heuschrecken ernährt haben. Und er hat die Menschen zur Umkehr aufgerufen. Die Menschen sollten vom Bösen ablassen und zum Guten wenden. Glauben hieß für ihn, den Weg zum Frieden zu suchen – Frieden mit Gott und den Mitmenschen. Aber all das, was dem Willen und der Liebe Gottes nicht entspricht, das sollten die Menschen ablegen.

Jesus hat in seiner Predigt genau diese Botschaft aufgenommen und verstärkt. Kehrt um, denn das Reich Gottes ist nahe. Und durch seine Taufe am Jordan hat Jesus sich ganz bewusst und öffentlich in die Tradition des Täufers gestellt.

Der Evangelist Lukas hat in seinem Evangelium die Geburt der beiden Kinder, Johannes und Jesus, miteinander verknüpft, um aufzuzeigen, dass die Geschichte Jesu aufs engste verbunden ist, mit der Geschichte Gottes mit seinem auserwählten Volk und seinem Heilswillen für alle Kreatur. Oder, um es anders auszudrücken: Lukas zeigt, wie alles auf die Geburt und die Erlösungstat des Friedenskönigs hinweist und dienstbar gemacht wird, dass alle Welt in Gott den liebenden Vater erkennen soll.

Tochter Zion, freue dich sehr, und du, Tochter Jerusalem, jauchze! Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer. So hatte mehr als ein halbes Jahrtausend zuvor, der Prophet Sacharja den Friedenskönig angekündigt. Sacharja und Zacharias, das ist derselbe Name, derselbe hebräische Wortstamm und bedeutet übersetzt: Gott erinnert sich. Gott vergisst dich nicht.

Es ist also kein Zufall, dass der Vater des Johannes den Namen Zacharias trägt, denn die alte Prophezeiung sollte jetzt in Erfüllung gehen. Gott hat sein Volk nicht vergessen. Gott erinnert sich seiner Geschöpfe und er nimmt sich ihrer an.

Und es ist auch kein Zufall, dass dieser Zacharias ein Priester nach der Ordnung des Abija ist. Abija bedeutet „Gott ist mein Vater“. Jesus hat Gott seinen Vater im Himmel genannt und seine Freunde zu beten gelehrt mit den Worten „Vater unser … dein Wille geschehe wie im Himmel so auch auf Erden“.

Das alles spielt hinein in die alten Worte der Weissagung des Zacharias die mit dem Lob Gottes beginnt und als „Benediktus“ Eingang in Liturgie unserer Gottesdienste gefunden hat. Und diese Weissagung liest sich, wie eine Wegbeschreibung für den Lebensweg des Johannes.

Und sein Vater Zacharias wurde vom Heiligen Geist erfüllt, weissagte und sprach: Gelobt sei der Herr, der Gott Israels! Denn er hat besucht und erlöst sein Volk und hat uns aufgerichtet ein Horn des Heils im Hause seines Dieners David – wie er vorzeiten geredet hat durch den Mund seiner heiligen Propheten –, dass er uns errettete von unsern Feinden und aus der Hand aller, die uns hassen, und Barmherzigkeit erzeigte unsern Vätern und gedächte an seinen heiligen Bund, an den Eid, den er geschworen hat unserm Vater Abraham, uns zu geben, dass wir, erlöst aus der Hand der Feinde, ihm dienten ohne Furcht unser Leben lang in Heiligkeit und Gerechtigkeit vor seinen Augen. Und du, Kindlein, wirst Prophet des Höchsten heißen. Denn du wirst dem Herrn vorangehen, dass du seinen Weg bereitest und Erkenntnis des Heils gebest seinem Volk in der Vergebung ihrer Sünden, durch die herzliche Barmherzigkeit unseres Gottes, durch die uns besuchen wird das aufgehende Licht aus der Höhe, auf dass es erscheine denen, die sitzen in Finsternis und Schatten des Todes, und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens.Gott erfüllt seine Verheißungen. Und Gott wird konkret. Gottes Wort wird Fleisch. Er handelt durch Menschen: Und du, Kindlein, wirst Prophet des Höchsten heißen. Denn du wirst dem Herrn vorangehen, dass du seinen Weg bereitest.“ (Lukas 1, 67-79)

Auch die Botschaft und das Ziel der Botschaft, die Johannes den Menschen gepredigt hat, sind von vorneherein bestimmt und gehören zum Heilsplan Gottes: Es geht um die Erkenntnis des Heils in der Vergebung ihrer Sünden mit dem Ziel, dass die Menschen zum Frieden finden. Johannes wird den Menschen sagen: Ohne Umkehr, ohne die Abwendung von unseren Sünden gibt es keinen Frieden. Taufe bedeutet für ihn Reinigung und Neuanfang. Lege dein altes Leben ab wie ein altes, dreckiges, verschlissenes Gewand und lass dich neu überkleiden mit Gerechtigkeit und Liebe. Nur dann kannst du Frieden finden: Frieden mit Gott und Frieden mit den Menschen.

Nicht spürbar wird in diesen Worten die Radikalität eines Wüstenpredigers, der keinerlei Kompromisse eingeht. Johannes wird zu einem radikalen Kritiker, was die Moral der Herrschenden betrifft. Und er bleibt aufrecht, auch wenn man ihm droht. Er macht, wie viele Propheten vor ihm ernst damit, dass wir Gott mehr gehorchen sollen als den Menschen. Das Leben in der Wüste hat ihn wohl zur Konzentration auf das Wesentliche geführt. Jesus bringt diese Glaubenshaltung auf den Punkt, wenn er später sagt: „Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele? Oder was kann der Mensch geben, womit er seine Seele auslöse?“

Was in der alten Weissagung nicht anklingt und was Vater Zacharias nicht ausspricht, ist bitter. Zacharias verschweigt das Schicksal seines Sohnes. Johannes der Täufer verurteilte später öffentlich den Ehebruch seines Landesfürsten Herodes Antipas und die zweite Vermählung mit Herodias, der Frau seines Halbruders. Herodes Antipas ließ Johannes gefangen nehmen und ins Gefängnis stecken. Und am Ende ließ er ihn auf Wunsch von Herodias Tochter enthaupten. Das ist menschen- und lebensverachtende Vorgehensweise der Mächtigen, die um ihre Macht fürchten bis auf den heutigen Tag. Und die Welt wird sich nicht ändern, wenn die Menschen sich nicht ändern. Wenn sie ohne Glauben und Gottesfurcht leben, gilt allein das Recht des Stärkeren, das Böse triumphiert und es kann keinen Frieden geben. Wir brauchen eine neue Normalität. Wir brauchen eine neue Lebenswirklichkeit – auch als Perspektive für kommende Generationen. Aber die kann der Mensch offenbar nicht selbst erschaffen.

Und hier wird Zacharias erstaunlich klar: Er spricht vom aufgehenden Licht aus der Höhe, das insbesondere denen erscheint, die da sitzen in Finsternis und Schatten des Todes. Johannes ist der Wegbereiter dessen, der von sich selbst sagen kann: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.“

Das Licht des Lebens ist mehr als ein Lichtlein am Ende des Tunnels. Das Licht des Lebens ist das Licht der Hoffnung, dass die Mitte der Nacht der Beginn eines neuen Tages ist. Und das ist die Botschaft, die Johannes uns heute mitten in der Corona Krise ans Herz legt. Die Nacht ist vorgedrungen, der Tag ist nicht mehr fern. Gott hat dir Versöhnung angeboten. Erneuere dein Leben in der Liebe Gottes und richte deine Füße auf den Weg des Friedens. Amen

Pfarrer Rainer Janus

PDF-Datei: Wort zum Sonntag Dritter Advent