Erntedank – 03.10.2021

Der Apostel Paulus schreibt:  Ich meine aber dies: Wer da kärglich sät, der wird auch kärglich ernten; und wer da sät im Segen, der wird auch ernten im Segen.  Ein jeder, wie er's sich im Herzen vorgenommen hat, nicht mit Unwillen oder aus Zwang; denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb.

Gott aber kann machen, dass alle Gnade unter euch reichlich sei, damit ihr in allen Dingen allezeit volle Genüge habt und noch reich seid zu jedem guten Werk;  wie geschrieben steht: »Er hat ausgestreut und den Armen gegeben; seine Gerechtigkeit bleibt in Ewigkeit.«

Der aber Samen gibt dem Sämann und Brot zur Speise, der wird auch euch Samen geben und ihn mehren und wachsen lassen die Früchte eurer Gerechtigkeit.  So werdet ihr reich sein in allen Dingen, zu geben in aller Einfalt, die durch uns wirkt Danksagung an Gott.

Denn der Dienst dieser Sammlung hilft nicht allein dem Mangel der Heiligen ab, sondern wirkt auch überschwänglich darin, dass viele Gott danken. Denn für diesen treuen Dienst preisen sie Gott über eurem Gehorsam im Bekenntnis zum Evangelium Christi und über der Einfalt eurer Gemeinschaft mit ihnen und allen. Und in ihrem Gebet für euch sehnen sie sich nach euch wegen der überschwänglichen Gnade Gottes bei euch.  Gott aber sei Dank für seine unaussprechliche Gabe! (2. Kor. 9, 6-15)

Der Opferstock, der Klingelbeutel und das Opferkörbchen haben eine lange Geschichte in unserer Kirche. Der Erfinder ist niemand anderes als der Apostel Paulus. Auf seiner dritten Missionsreise bittet er die jungen heidenchristlichen Gemeinden um Geldspenden, nicht für sich selbst, sondern für die judenchristliche Urgemeinde in Jerusalem, die er als die Heiligen bezeichnet und die dringend Unterstützung braucht.

Die Gemeinde in Jerusalem ist nämlich arm. Zwar müssen sie kein Personal bezahlen und auch keine Kirche und kein Pfarrhaus renovieren. Aber sie sorgen für verarmte Witwen und Waisen und auch die vielen Gäste aus anderen Gemeinden, die nach Jerusalem kommen, wollen bewirtet sein, und das geht über ihre finanzielle Kraft.

Beim Geld hört die Freundschaft auf, wird manch einer denken. Und vielleicht hat manch einer zur Zeit des Apostels Paulus so gedacht. Aber der Apostel Paulus sagt: Unser Glaube besteht nicht nur aus frommen Worten und Gebeten. Der christliche Glaube muss sich im Leben bewähren, sonst taugt er nichts. Was wäre das auch für eine Religion der Nächstenliebe, die die Not des Mitmenschen sieht, aber nicht bereit ist zu helfen?

Natürlich hat Jesus die Geschäftemacher aus dem Tempel hinausgeworfen. Zu Recht! Aber sie haben ja ihre Geschäfte auf eigene Rechnung gemacht. Sie haben um ihres eigenen Vorteils willen Geldgeschäfte getätigt und Opfertiere verkauft. Das gehört hinaus auf den Marktplatz, das ist die Aufgabe der Marktwirtschaft. In der Kirche ist dafür kein Platz und Jesus hat recht, wenn er sagt: Dieses Haus soll ein Bethaus sein.

Aber der Klingelbeutel und das Opferkörbchen haben eine andere Aufgabe: Hier geht es um ein Opfer für soziale und karitative Zwecke. Da geht es nicht um mich, sondern um die Gemeinschaft. Es geht um das Wohl derer, die unserer Hilfe bedürfen.

Und so gehört das Sammeln des Opfers und der Kollekte zu den ganz alten Traditionen in jedem christlichen Gottesdienst. Und alle, die heute ein Opfer einlegen, die darf ich im Sinne des Apostels Paulus beglückwünschen:

Mit Ihrer Gabe tragen Sie dazu bei, dass es anderen Menschen ein wenig besser geht. Aber Sie lindern nicht nur deren materielle Not, sondern Sie tun auch etwas Geistliches. Sie sorgen dafür, dass andere Menschen etwas zum Danken haben; und so vermehren Sie das Lob Gottes in dieser Welt.

Ihr Opfer ist Ausdruck praktizierter Nächstenliebe, weil Sie mit Ihrer Gabe anderen Menschen zeigen: „Wir haben euch nicht vergessen. Auch wenn wir euch nicht kennen, wir haben von euren Schwierigkeiten und eurer Not gehört. Weil wir uns ein wenig vorstellen können, wie es euch geht und weil wir wissen, mit Geld können wir euch ein wenig weiterhelfen, darum haben wir von dem, was wir haben, abgegeben.“

Sie machen mit ihrer Opfergabe deutlich: Wir Christen sehen über den Gartenzaun unserer eigenen Gemeinde hinaus. Wir wissen, als Gottes geliebte Geschöpfe gehören wir alle zusammen: Auch die Menschen, die weit weg sind und die uns mit ihrer Kultur und Religion vielleicht fremd sind.

Und natürlich kann ich Sie auch für Jhr Opfer speziell am heutigen Sonntag beglückwünschen, weil Sie damit deutlich machen: Dank an Gott, heute am Erntedankfest, das ist für mich mehr als nur ein Lippenbekenntnis.

Wer abgibt von dem, was er hat, tut das ja, weil ihm klar geworden ist: „Es hätte auch ganz anders sein können.“ Es hätte sein können, dass ich arm bin und in Not gerate, weil mich z.B. Krankheit getroffen hat, oder Arbeitslosigkeit oder eine Naturkatastrophe. Dass es mir so geht, wie es mir geht, dafür kann ich kaum etwas, das ist ein Geschenk Gottes an mich. Paulus spricht davon, dass es die Gnade Gottes ist, die dem Dankbaren bewusst wird. Er weiß: „Nicht weil ich ein Anrecht darauf hätte, sondern weil Gott mich beschenkt hat, darum habe ich genug für mich. Ja, sogar mehr als genug, und davon kann ich abgeben.“

Allerdings kommt es bei unseren Gaben auch darauf an, mit welchen Gedanken und Gefühlen wir sie geben.

Jemand denkt vielleicht, es wäre peinlich, als einziger nichts zu geben. Oder jemand seufzt innerlich und denkt: „Eigentlich kann ich mir das im Augenblick überhaupt nicht leisten, aber hier in der Kirche kann ich mich dieser Aufforderung einfach nicht entziehen?“ Wenn das Ihre Gedanken sind, dann machen Sie etwas falsch. Das ist nicht das, was der Apostel Paulus von uns will. Keiner soll mit Unwillen oder aus Zwang spenden.

Vielleicht gehören sie auch zu denen, die denken: „Gott hat mir in diesem Jahr genug geschenkt; nun gebe ich anderen. Also sind wir quitt, Gott und ich?“ Oder: „Gott, ich biete dir meine Gabe an. Sie ist größer als sonst, denn ich möchte von dir, dass du meinen sehnlichsten Herzenswunsch erfüllst.

Solchen Gedanken sind ja menschlich. Nur, Paulus würde Ihnen sagen: Tut mir leid. Das ist ein Denkfehler. Mit Gott kann man keine Geschäfte machen. Man kann Gott nicht bestechen, selbst wenn es um eine gute Sache geht. Er zahlt nicht, er schenkt.

Stellt sich ja die Frage: „Was sind denn dann die richtigen Gedanken beim Abgeben, beim Spenden? Was ist die Grundhaltung, die mir gut tut und die Gott von mir will?“

Paulus gibt eine Antwort, die fast schon sprichwörtlich ist: „Einen fröhlichen Geber, den hat Gott lieb.“

Klingt gut und einleuchtend, aber wie werden wir zu fröhlichen Gebern? Die Antwort des Paulus ist einfach: „Fröhliche Geber werdet ihr, wenn ihr euch als fröhliche Empfänger versteht. Wenn ihr begreift, dass Gott euch so reich beschenkt, dass ihr nicht nur genug für euch habt, sondern auch abgeben könnt.“

Und vieles auch hier in unserem Gottesdienst zeigt, dass wir uns nicht als erfolgreiche Macher, sondern als fröhliche Empfänger verstehen: da sind die Blumen, das Obst, das Gemüse, das Brot auf dem Erntedankaltar - Zeichen, die deutlich machen, dass wir vor allem Tun und Machen Empfänger der Gaben Gottes sind. Und wir könnten ja diese Zeichen vermehren: eine Muschel vom dem Strand, an dem wir Urlaub gemacht haben, ein Bild von lachenden Kindern oder Enkeln, eine Karte mit kurzen Grüßen, die zeigte: Da denken andere an mich! Ich glaube, jedem von uns fallen noch andere Zeichen ein, die deutlich machen: Ich habe viel und Schönes empfangen. Und es ist gut, dass uns dieser heutige Tag auch die Gelegenheit gibt, das auszudrücken: unser fröhliches „Dankeschön!“

Aber auch wenn unsere Freude nicht ungebrochen ist, die Freude ist es, die diesen heutigen Erntedanktag regieren soll. Wir sehen die Probleme, die sich durch die Industrialisierung der Landwirtschaft ergeben. Wir sehen Ungerechtigkeit, Landraub, Profitgier und Umweltzerstörung. Und dennoch dürfen wir uns freuen, über all das, was Gott uns schenkt. Und wer sich freut und fröhlich ist, gibt nicht nur aus vollem Herzen, sondern auch mit vollen Händen, sät eben nicht kärglich. Und nimmt sich auch da ein Beispiel an Gott selbst, der mit vollen Händen seine Gaben ausstreut über seine Menschenkinder.

Über allen Gaben aber liegt die Verheißung: Wer da sät im Segen, der wird auch ernten im Segen. In Zeit und Ewigkeit. Amen.

Ihr Pfarrer Rainer Janus