Wort zum Sonntag – 11. April 2021

Der Evangelist Johannes berichtet von der dritten und wichtigsten Begegnung der Jünger mit dem auferstandenen Jesus:

Danach offenbarte sich Jesus abermals den Jüngern am See von Tiberias.

Er offenbarte sich aber so: Es waren beieinander Simon Petrus und Thomas, der Zwilling genannt wird, und Nathanael aus Kana in Galiläa und die Söhne des Zebedäus und zwei andere seiner Jünger.

Spricht Simon Petrus zu ihnen: Ich gehe fischen. Sie sprechen zu ihm: Wir kommen mit dir. Sie gingen hinaus und stiegen in das Boot, und in dieser Nacht fingen sie nichts. Als es aber schon Morgen war, stand Jesus am Ufer, aber die Jünger wussten nicht, dass es Jesus war.

Spricht Jesus zu ihnen: Kinder, habt ihr nichts zu essen? Sie antworteten ihm: Nein. Er aber sprach zu ihnen: Werft das Netz aus zur Rechten des Bootes, so werdet ihr finden. Da warfen sie es aus und konnten's nicht mehr ziehen wegen der Menge der Fische.

Da spricht der Jünger, den Jesus lieb hatte, zu Petrus: Es ist der Herr! Als Simon Petrus hörte: »Es ist der Herr«, da gürtete er sich das Obergewand um, denn er war nackt, und warf sich in den See. Die andern Jünger aber kamen mit dem Boot, denn sie waren nicht fern vom Land, nur etwa zweihundert Ellen, und zogen das Netz mit den Fischen.

Als sie nun an Land stiegen, sahen sie ein Kohlenfeuer am Boden und Fisch darauf und Brot. Spricht Jesus zu ihnen: Bringt von den Fischen, die ihr jetzt gefangen habt!

Simon Petrus stieg herauf und zog das Netz an Land, voll großer Fische, hundertdreiundfünfzig. Und obwohl es so viele waren, zerriss doch das Netz nicht. Spricht Jesus zu ihnen: Kommt und haltet das Mahl! Niemand aber unter den Jüngern wagte, ihn zu fragen: Wer bist du? Denn sie wussten: Es ist der Herr.

Da kommt Jesus und nimmt das Brot und gibt's ihnen, desgleichen auch den Fisch.

Das ist nun das dritte Mal, dass sich Jesus den Jüngern offenbarte, nachdem er von den Toten auferstanden war.

Aller guten Dinge sind bekanntlich drei. Das erste Mal erscheint der Auferstandene den Jüngern in Jerusalem noch am Abend des Auferstehungstages, als sie die Türen aus Furcht hinter sich verschlossen hatten. Acht Tage später gibt es die zweite Begegnung, bei der auch Thomas, der Zweifler, dabei ist und seine Finger in die Wunde legt, weil er sonst nicht glauben kann.

Diese beiden Begegnungen scheinen aber nicht viel zu bewirken. Erst die Begegnung am See Gennezareth, verbunden mit dem gemeinsamen Mahl macht aus den enttäuschten Jüngern begeisterte Apostel. Petrus erhält an diesem Morgen am Seeufer den Auftrag: Weide meine Schafe.

Es ist verständlich, dass der Kreuzestod für alle Jünger und Freunde Jesu eine herbe Enttäuschung gewesen sein muss. Der Weg mit ihm war mit großen Hoffnungen verbunden gewesen. Hinzu kamen Trauer und der Abschiedsschmerz, wie auch wir ihn kennen, wenn ein gemeinsamer Weg zu Ende gegangen ist.

Mit der Erscheinung des Auferstandenen ist zunächst kein Trost verbunden und keine Hoffnung auf einen neuen Anfang. Wahrscheinlich trauten die verängstigten Jünger ihren eigenen Augen und Ohren nicht. Der Verstand sagt, dass nicht sein kann, was nicht sein darf: Tot ist tot und bleibt tot und wird nicht wieder lebendig.

Voll Trauer und Enttäuschung machten sich auf. Sie ließen die Mauern der Stadt Jerusalem hinter sich. Sie kehrten zurück in die alte, angestammte Heimat nach Galiläa, an die Ufer des Sees Genezareth. So hatte es der Engel am leeren Grab den Frauen aufgetragen: Geht nach Galiläa.

Wie gut war es, wenigstens einen ordentlichen Beruf gelernt zu haben. Wie gut, ein Dach über dem Kopf zu haben und Verwandte und Freunde, die einem weiterhelfen konnten. Ja, jetzt würden sie wieder mit Wasser kochen - wie man so schön sagt. Irgendwie würden sie mit ihrer Enttäuschung schon fertig werden. Jetzt würde es darum gehen - ernüchtert - sich wieder zurechtfinden, sich einzurichten im Alltag, sich abzufinden mit dem Normalen, Gewöhnlichen und Üblichen.

Der Traum vom Reich Gottes war zu Ende geträumt. Aber - Gott sei Dank - beginnt jeden Morgen ein neuer Tag.

Sie hatten keine Alternative: Fischer gehören auf den See. Sie fangen an, die alten Netze zu ordnen, die verstaubten Geräte zu säubern, die Boote wieder seetüchtig zu machen. Und in der gleichen Nacht fahren sie hinaus auf den See. Schließlich hatten sie ihr Handwerk nicht verlernt. Sie freuten sich auf einen guten Fang.

Diese Episode mit Jesus, ja, das war halt schiefgegangen, der Weg mit ihm war eben nur eine Epi-sode geblieben. Jetzt konnten sie wieder auf ihre eigene Kraft und Geschicklichkeit vertrauen - und mit etwas Geduld würde sich der Erfolg schon einstellen.

Zurück an die Netze sagten sie sich. So wie früher. So normal wie möglich. Ja nicht noch einmal aus dem Rahmen fallen. Sie arbeiteten im Schweiße ihres Angesichts. Sie strengten sich an. Sie gaben ihr Bestes. Sie mühten sich verbissen. Aber der gewünschte Erfolg stellte sich nicht ein. Die Netze waren leer. Und sie blieben leer bis zum frühen Morgen.

Das gibt es halt - trösteten sie sich: das kommt halt mal vor, dass einem nichts gelingt, dass alles schiefgeht. Jeder von uns kennt diese Erfahrung: Man hat sich Mühe gegeben – und trotzdem war alles für die Katz. So ist der Alltag nun einmal.

In dieser Stimmung standen sie in ihren Booten. Jeder versuchte mit seiner Enttäuschung fertig zu werden. Aber das wollte verständlicherweise nicht so recht gelingen. Ratlosigkeit machte sich breit.

Da kommt dieser Fremde, den sie nicht erkannten, mit seiner Frage nach dem Essen. Ja, der Hunger war spürbar - aber sie standen ja mit leeren Händen da. Der Fremde rät den Ratlosen mit ihren müden Händen, sich noch einmal aufzumachen, noch einmal hinauszufahren, eine kurze Strecke wenigstens und die Netze noch einmal auf der anderen Seite auszuwerfen. Auf sein Wort hin lassen sie sich noch einmal bewegen. Und erst als die Netze zum Bersten voll sind, beginnen sie zu ahnen, dass da etwas nicht stimmen kann.

Die Sache mit den Fischen, das konnten andere als puren Zufall abtun. Jeder hat mal Glück. Aber sie waren zu lange mit ihm unterwegs gewesen, um nicht zu wissen: der Fremde, der am Ufer auf sie wartete, war kein Fremder.

Einer sprach aus, was alle dachten: Es ist der Herr. Die verloren geglaubte Hoffnung erwachte aufs Neue in ihren Herzen. In der Gemeinschaft des Mahles - Fisch und Brot sind Symbole für Christus - begannen sie zu spüren, dass der gekreuzigte und auferstandene Herr auch im Alltag gegenwärtig war und für sie sorgte in allen Nöten des Leibes und der Seele.

So wurden aus jener Handvoll Fischern, müde, abgekämpft, enttäuscht, mutige Boten, Menschenfischer, die die Botschaft der Auferstehung in die Welt hinaustrugen. Die enttäuschten und verzagten Jünger wurden zu begeisterten Aposteln und Verkündigern des Evangeliums. Sie wussten: Die Liebe Gottes hört nicht auf. Nicht einmal der Tod kann uns von der Liebe Gottes scheiden. Das, was sie mit Jesus erlebt hatten, bis hin zu seinem Opfertod und seiner Auferstehung, das musste die Welt erfahren.

Die seltsame Zahl 153 entspricht der Zahl aller damals bekannten Fischarten. Als Menschenfischer werden sie gesandt, allen Menschen in aller Herren Länder das Evangelium zu verkündigen.

Gab es keine Rückschläge mehr im Leben dieser Fischer? Blieben die Apostel auf ihrem weiteren Weg vor Enttäuschungen und Resignation bewahrt?

Ich denke, sie werden mancherlei Rückschläge erlitten haben. Sie werden auf Menschen gestoßen sein, die diese frohe Botschaft nicht hören wollten. Menschen, die sich um den Sinn und die Zukunft ihres Lebens keinerlei Gedanken machten, die nur ihrem eigenen Begehren zugute lebten und ihren eigenen Vorteil im Auge hatten. Es wird sie traurig gestimmt haben, wie Hass und Habgier die Herzen der Menschen gefangen nahmen und sich kein Platz mehr fand für die Liebe Gottes. Sie haben Gewalt und Krieg und Verfolgung gesehen, die es damals gab, und die es bis auf den heutigen Tag immer noch gibt.

Aber sie hatten eine Quelle, aus der sie Kraft und Mut und Hoffnung schöpfen konnten. Es war die Erfahrung der Liebe Gottes. Sie hatten erkannt und erlebt, dass der Gott, der die Weite des Raumes und der Zeiten geschaffen hat, seine Geschöpfe nicht im Stich lässt. Und so fingen die ehemaligen Fischer an, davon zu reden, wie Gott eingreift in den scheinbar unabänderlichen Lauf des Werdens und Vergehens. Sie pflanzten mit ihrer Botschaft einen guten und heilsamen Glauben in die Herzen vieler Menschen. Und sie begannen die Liebe Gottes zu feiern im Sakrament der Taufe, in der Jesus uns das Versprechen gibt: „Siehe ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ und in der Gemeinschaft des Abendmahls, in der Jesus als gekreuzigter und auferstandener Herr unsichtbar gegenwärtig ist.

Ihre Botschaft hat die Welt nicht besser gemacht. Weil wir Menschen Menschen sind, ist vieles beim Alten geblieben. Aber wir haben die Hoffnung, dass wir nicht allein sind in der Weite des Raumes und der Zeiten, dass wir einen Gott haben, der lebt und liebt und unser Leben einen Sinn und ein Ziel hat. Das gibt uns Kraft für unseren Weg in Zeit und Ewigkeit. Amen.

Ihr Pfarrer Rainer Janus