Wort zum Sonntag – 10. Januar 2021

Paulus wird auch der Apostel der Völker genannt. Von Hause aus war Paulus ein Jude, der sich zur strenggläubigen Gruppe der Pharisäer zählte.

Geboren in Tarsus in Kleinasien, der heutigen Türkei, kannte er die Eigenheiten der Diasporajuden ebenso, wie die religiösen und kulturellen Gepflogenheiten der nichtjüdischen Bevölkerung. Durch seine Missionsreisen fand die christliche Botschaft Verbreitung im ganzen östlichen Teil des römischen Reiches.

Das große Ziel seines missionarischen Wirkens war die Stadt Rom, Hauptstadt des römischen Reiches, Zentrum der Macht, der Kultur.

Der Römerbrief ist an die ersten Christen in Rom gerichtet als eine Art Empfehlungsschreiben, in dem der Apostel einmal auf den Punkt bringt, was christlicher Glaube und christliches Leben eigentlich bedeutet.

Schon damals stand Religion in der Kritik irrational zu sein, unvernünftig, weil die Menschen versuchten, mit Opfergaben die Götter gnädig zu stimmen und das Unverfügbare verfügbar zu machen. Paulus greift diese Kritik auf, wenn er vom Opfer des eigenen Leibes und von einem vernünftigen Gottesdienst spricht.

Im 12. Kapitel seines Briefs lesen wir: Ich ermahne euch nun, Brüder, durch die Barmherzigkeit Gottes, dass ihr euren Leib hingebt als ein Opfer, das lebendig, heilig und Gott wohlgefällig sei. Das sei euer vernünftiger Gottesdienst.

Und stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern ändert euch durch Erneuerung eures Sinnes, auf dass ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene.

Denn ich sage durch die Gnade, die mir gegeben ist, jedem unter euch, dass niemand mehr von sich halte, als sich's gebührt, sondern dass er maßvoll von sich halte, wie Gott einem jeden zugeteilt hat das Maß des Glaubens. Denn wie wir an einem Leib viele Glieder haben, aber nicht alle Glieder dieselbe Aufgabe haben, so sind wir, die vielen, ein Leib in Christus, aber untereinander ist einer des andern Glied.

Wir haben mancherlei Gaben nach der Gnade, die uns gegeben ist. Hat jemand prophetische Rede, so übe er sie dem Glauben gemäß. Hat jemand ein Amt, so versehe er dies Amt. Ist jemand Lehrer, so lehre er. Hat jemand die Gabe, zu ermahnen und zu trösten, so ermahne und tröste er. Wer gibt, gebe mit lauterem Sinn. Wer leitet, tue es mit Eifer. Wer Barmherzigkeit übt, tue es mit Freude. (Römer 12, 1-8)

Paulus sagt: Im Unterschied zu diesen vielen religiösen Opferkulten ist der christliche Glaube durchaus vernünftig und deshalb gibt es im christlichen Glauben auch einen vernünftigen Gottesdienst.

Im christlichen Gottesdienst geht es nicht darum, Gott gnädig oder günstig zu stimmen. Wir schlachten keine Tiere und zünden auch keine Räucherstäbchen an, weil wir wissen, dass wir immer und überall mit Gottes Gnade rechnen können. Wir Christen glauben an einen liebenden Gott. Den hat uns Jesus Christus offenbart. Und das war die Botschaft, die Engel über seiner Geburt ausgerufen haben: Friede auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens. Gottes Wille, schreibt Paulus, ist das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene. Und die Liebe Gottes ist der innerste Kern unseres christlichen Glaubens.

Und damit hat sich der Gedanke von Gottesdienst als Darbringung von Opfern für eine Gottheit ins Gegenteil verkehrt: Nicht wir dienen Gott, als wären unsere Gebete und Lieder so etwas wie Opfergaben, sondern Gott dient uns, indem er uns zur Gemeinschaft zusammenführt und uns durch sein Wort Trost und Hoffnung schenkt.

Wir könnten dem Gott, der das Universum geschaffen und ins Leben gerufen hat, auch gar nichts schenken, was ihm nicht ohnehin gehört. Welch eine Anmaßung wäre das, so zu denken?

Das Einzige, was wir Gott schenken oder weihen könnten, ist das, was er uns geschenkt hat: Und das ist nicht mehr und nicht weniger als unser Leben. Das meint Paulus, wenn er uns ermahnt, dass wir unseren Leib hingeben als ein Opfer, das lebendig, heilig und Gott wohlgefällig sei.

In einem unserer Tauflieder heißt es: Ich gebe dir, mein Gott, aufs neue Leib, Seel und Herz zum Opfer hin; erwecke mich zu neuer Treue und nimm Besitz von meinem Sinn. Es sei in mir kein Tropfen Blut, der nicht, Herr, deinen Willen tut.

Hier wird deutlich, dass Opfern im christlichen Sinne nichts mit Schlachtung und Verbrennen zu tun hat, sondern eine Lebenshaltung bezeichnet, die dem Willen Gottes entspricht, nämlich nach dem Guten, dem Wohlgefälligen und Vollkommenen zu streben im Geist der Liebe.

Und hier wird Paulus konkret: Wir haben mancherlei Gaben nach der Gnade, die uns gegeben ist. Hat jemand prophetische Rede, so übe er sie dem Glauben gemäß. Hat jemand ein Amt, so versehe er dieses Amt, zum Nutzen aller. Ist jemand Lehrer, so lehre er engagiert und mit Geduld. Hat jemand die Gabe, zu ermahnen und zu trösten, so ermahne und tröste er im Geiste der Liebe. Wer gibt, gebe mit lauterem Sinn, einen fröhlichen Spender liebt Gott. Wer leitet, tue es mit Eifer und Sorgfalt. Wer Barmherzigkeit übt, tue es mit Freude.

Zusammenfassend könnte man sagen: Ein jeder soll das, was er gut kann, zum Nutzen und zur Freude aller einbringen, dann kann Gemeinschaft gelingen, eine Gemeinschaft, die Unterschiede im Sinne von Pluralität aushält und Versöhnung möglich macht.

Wer Paulus kennt, der weiß, dass er die Liebe für das Größte und Wichtigste hält, größer und wichtiger als alles, was in dieser vergänglichen Welt Bestand hat, wichtiger als Glaube und Hoffnung. Und was Paulus sagt, ist nur dann richtig, wenn er damit recht hat und die Liebe tatsächlich vernünftig ist.

Natürlich wird jeder sagen, dass das Gegenteil von Liebe unvernünftig ist, der Hass, die Habgier und die Gewalt. Aber dass die Liebe am Ende Recht behält, dass die Liebe allen Hass, alle Habgier und Gewalt überwinden wird und dass wir Christen mit unserem Glauben an den liebenden Gott den richtigen Glauben haben, das muss sich noch erweisen.

So bleibt der Glaube ein Wagnis, aber, so würde Paulus sagen, ein vernünftiges Wagnis, das eine große Verheißung hat, nämlich für jeden ganz persönlich ein authentisches Leben, das einen Sinn und ein Ziel hat, und Frieden für die Welt, in der wir leben. Amen

Ihr Pfarrer Rainer Janus