Wort zu Christi Himmelfahrt – 21. Mai 2020

Liebe Leserinnen und Leser,

Himmelfahrt bedeutet Abschied. Jesus lässt die Seinen zurück, aber er überlässt sie nicht sich selber. Er verlässt die irdische Welt, um eins zu sein mit dem Vater und dem Heiligen Geist.

Wir sprechen vom dreieinigen Gott, aber wir haben in unserem christlichen Glauben keine drei Götter, sondern einen Gott, der sich in dreifach verschiedener Weise seinen Geschöpfen offenbart.

Die Apostelgeschichte erzählt von der Himmelfahrt – wie unbegreiflich, dass dieser Herr plötzlich von ihren Augen verschwand. Ein Engel muss sie auf den Boden der Tatsachen zurückholen: Was steht ihr da und seht zum Himmel. Das dauernde Starren nach oben bringt uns nicht weiter. Wir werden das Geheimnis Gottes nicht ergründen, weil eben der Schöpfer größer ist als das Geschöpf. Kopfzerbrechen ist nicht wirklich hilfreich. Stattdessen wir dürfen darauf vertrauen, dass dieser geheimnisvolle Gott für uns da ist. Wir dürfen und sollen uns auf das Leben hier und heute konzentrieren, auf die Nöte unserer Mitmenschen schauen, wenn wir als Christen leben wollen.

In unserem heutigen Bibelwort zum Himmelfahrtstag betet Jesus für die Menschen und ganz besonders für die, die seinem Wort zuhören, die daraus etwas gewinnen für Ihr Leben, Jesus betet auch für uns.

Ich bitte aber nicht allein für sie, sondern auch für die, die durch ihr Wort an mich glauben werden, damit sie alle eins seien. Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, so sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaube, dass du mich gesandt hast.

Und ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast, damit sie eins seien, wie wir eins sind, ich in ihnen und du in mir, damit sie vollkommen eins seien und die Welt erkenne, dass du mich gesandt hast und sie liebst, wie du mich liebst.

Vater, ich will, dass, wo ich bin, auch die bei mir seien, die du mir gegeben hast, damit sie meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben hast; denn du hast mich geliebt, ehe der Grund der Welt gelegt war.

Gerechter Vater, die Welt kennt dich nicht; ich aber kenne dich und diese haben erkannt, dass du mich gesandt hast. Und ich habe ihnen deinen Namen kundgetan und werde ihn kundtun, damit die Liebe, mit der du mich liebst, in ihnen sei und ich in ihnen. Amen. (Joh 17, 20-26)

Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Vaterland! Danach lasst uns alle streben brüderlich mit Herz und Hand, so heißt in unserer deutschen Nationalhymne. Einigkeit war und ist ein großer Wert. Das war zu Lebzeiten des Dichters Hoffmann von Fallersleben so, als Deutschland wie ein Flickenteppich in zahllose Fürstentümer zerfallen war. Das war 1989 so, als die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten gelang. Das ist in der weltweiten Kirche bis heute so, wo es nicht nur zwei Konfessionen gibt, katholisch und evangelisch, sondern die Christenheit in ihrer Gesamtheit in hunderte von Kirchen und eigenständigen Gemeinden aufgesplittert ist.

Damit sie alle eins seien. Diese Gebetsbitte Jesu steht bis auf den heutigen Tag im Raum. Aber sie stößt keineswegs auf offene Ohren. Im Glauben geht es darum, dass ich auf das lebendige Wort Gottes höre. Stattdessen verharren Kirchen in ihren althergebrachten Lehrgebäuden und halten fest an dem, was vor Jahrhunderten vielleicht irrtümlich beschlossen wurde. Jeder glaubt etwas besser zu wissen und damit der göttlichen Wahrheit näher zu sein.

Jesus weist sicherlich zu Recht darauf hin, dass die Uneinigkeit unter Christen den Weg zum Glauben erschwert. Da ist von Nächstenliebe die Rede und die Christen streiten sich untereinander. Dass unter-schiedliche Menschen Gottes Wort unterschiedlich verstehen, das ist natürlich. Aber dass sie sich dann gegenseitig den rechten Glauben absprechen und jeder seine eigene Gemeinde gründet, das wider-spricht dem Geist der Liebe. Die Erinnerung daran, wie man in der Geschichte mit sogenannten Ketzern umgegangen ist, lässt uns heute noch erschaudern.

Auch als Protestanten müssen wir selbstkritisch zurückblicken in die Geschichte unserer evangelischen Tradition. Reformation war und ist nötig. Aber Reformation bedeutet Erneuerung der Kirche und nicht die Gründung einer erneuerten Kirche neben der alten. Außerdem waren die Flügelkämpfe und Unversöhnlichkeiten innerhalb des Protestantismus zum Teil sehr viel heftiger als die Auseinandersetzung mit der katholischen Lehre. Es geht um den bekannten Splitter im Auges des anderen und den Balken im eigenen Auge, den man gar nicht oder jedenfalls nicht so gerne wahrnehmen möchte. Ein Bildwort aus dem Repertoire des Zimmermannssohnes aus Nazareth.

Aber wir lernen ja aus den Fehlern der Vergangenheit. Und die Irrtümer und die Irrwege der Geschichte helfen uns, für die Zukunft einen besseren Weg zu suchen.

Ich erinnere an unseren alten „badischen“ Erzbischof in Freiburg Robert Zollitsch. Für ihn ist Ökumene beileibe nicht auf das Miteinander der christlichen Kirchen begrenzt. Er sprach von der Einigkeit unter allen Menschen und Völkern. Er sprach vom Frieden in der Welt und davon, dass es unsere Aufgabe als Christen ist, diesen Frieden zu suchen. Ich wünsche mir für unsere Kirchen mehr Menschen mit einer solchen Weitsicht und mit so klaren und verständlichen Worten.

Warum sollte es keinen Dialog zwischen den Religionen geben? Warum sollten wir mit Atheisten nicht das Gespräch suchen. Gott ist größer, größer als unsere Vorstellung von ihm. Er ist der Schöpfer aller Dinge. Und in Christus ist er für alle an sein Kreuz gegangen.

Auf dass sie alle eins werden. Das kann nicht Einheit und Uniformität bedeuten. Und das ist auch nicht auf kirchentreue Christen begrenzt. Wir Menschen sind unterschiedlich und wir werden damit leben müssen, dass auch unser Glaube unterschiedlich ist und bleibt, unsere Glaubensformen und Traditionen verschieden sind und auf verschiedene Weise zum Ausdruck gebracht werden. Aber wir müssen nach Wegen suchen, die uns in aller Verschiedenheit zur Versöhnung führen. Vielleicht werden wir dann erkennen, dass die Vielfalt des Glaubens auch ein Reichtum ist. Einheit bedeutet Einigkeit. Ökumene heißt Frieden.

Die Einheit des dreieinigen Gottes, Vater, Sohn und Heiliger Geist ist das Vorbild der Einheit, nach der wir Menschen streben sollen. Es ist eine Einheit, die in Liebe vollkommen verbunden ist und diese Liebe nicht für sich behält, sondern sich liebevoll den Menschen und Geschöpfen mitteilt und zuwendet. Und so schließt Jesus sein Gebet mit den Worten: Gerechter Vater, die Welt kennt dich nicht; ich aber kenne dich und diese haben erkannt, dass du mich gesandt hast. Und ich habe ihnen deinen Namen kundgetan und werde ihn kundtun, damit die Liebe, mit der du mich liebst, in ihnen sei und ich in ihnen. Der Name Gottes ist die Liebe und seine Liebe wird durch Jesus Christus in unseren Herzen wohnen, damit wir Frieden finden in Zeit und Ewigkeit.

Ihr Pfarrer Rainer Janus

 

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