20. Dezember 2020

Eine etwas andere Weihnachtsgeschichte

Es war an einem Tag kurz vor Weihnachten.
Ich besuchte einen alten Bekannten im Altenheim.
Zu dem Zimmer des alten Herrn, der alleine für sich wohnte,
war gerade eben noch der Paketzustelldienst gekommen.
Darum wunderte ich mich nicht,
dass auf mein Klopfen zunächst keine Antwort kam.
Aha, das Weihnachtspaket,dachte ich.
Tatsächlich, als es endlich hieß: „Herein!”
stand der alte Herr vor demTisch
und stocherte in dem eben geöffneten Paket.
Man sah auf den erstenBlick, dass es ein Paket mit teuren Geschenken war.
Später hörte ich, dass die Absenderin, die Tochter
des alten Herrn, eine reiche Geschäftsfrau sei.
Soweit ich sehen konnte, befanden sich im Paket
Zigarren, Tabak, Cognac, Kaviar, Sekt, Lederartikel und noch vieles mehr –
alles, was man sich nur ersehnen konnte.
Der alte Herr aber machte zu all dem nur ein mürrisches Gesicht.
Kein Fünkchen Freude war zu sehen.
„Aber Herr Huber”, sagte ich jetzt, „wie kann man vor solch einem
Weihnachtspaket ein so trauriges Gesicht machen?
Da sind doch nur gute und wertvolle Sachen darin!”
Da sah mich der alte Herr an und sagte: „Da ist keine Liebe darin!”
Dann begann er von der reichen Tochter zu erzählen.
Augenscheinlich hat sie das Paket von den Angestellten packen lassen.
Auf einer billigen vorgedruckten Weihnachtskarte stand geschrieben:
„Deine Tochter Luise und Schwiegersohn”.
Sonst nichts! Kein persönlicher Weihnachtswunsch, kein Besuch
und auch keine Einladung wie: „Feiere das Fest mit uns!”
Die bestens ausgesuchten Geschenke waren Stück für Stück
noch mit den Preisschildchen versehen, damit der alte Vater merken sollte,
was man für ihn ausgegeben hatte.
Er hatte recht: Es war keine Liebe darin!

Text aus: Theodor Schnitzler, Erzählte Messe. Geschichten für Kinder